Gemeinsam für mutige Ideen und Impulse – das NRW.URBAN-Team tauschte sich in der Stölting Marina zum Projekt Graf Bismarck aus.
1979 lagen über 2.500 Hektar an Zechen-, Gewerbe- und Verkehrsflächen im Ruhrgebiet brach. Die damalige Landesregierung gründete deshalb den Grundstücksfonds Ruhr, um alternative Bauflächen zu schaffen und die zum Teil stark zerstörte Landschaft neu zu gestalten. Aus dem Grundstücksfonds Ruhr wurde der Grundstücksfonds NRW, aus 2.668 Hektar Fläche an 189 Standorten lebendige Stadtkultur.
Verantwortungsvoller Umgang mit der Ressource Boden
Einer, der bei NRW.URBAN die wohl mit Abstand meisten Projekte im Rahmen des Grundstücksfonds NRW betreut hat, ist Burkhardt Bahrenberg. Bei einem Teamtreffen
an der Marina auf Graf Bismarck betont er die Bedeutung dieses Instruments für Nordrhein-Westfalen. Seiner Ansicht nach war und ist der Grundstücksfonds eines der wichtigsten städtebaulichen und strukturpolitischen Instrumente des Landes NRW. Denn die Sanierung und Aufbereitung brachgefallener Industrie- und Verkehrsflächen habe dazu geführt, dass neue Arbeitsplätze entstanden sind, ohne wertvolle Freiflächen neu zu „verbrauchen“. Burkhardt Bahrenberg: „Unser Verständnis, unsere ‚DNA‘, für den schonenden und verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Boden, sind im Grundstücksfonds vorbildlich umgesetzt worden.“
Der Blick schweift über das Areal. Und es wird deutlich: Das Team von NRW.URBAN hat gemeinsam mit der Stadt Gelsenkirchen und vielen weiteren Akteuren ein neues Stadtquartier geschaffen, in dem sich die Menschen wohlfühlen. Im Café sitzen plaudernd Paare und Gruppen, Radfahrer rollen am Ufer entlang, auf den Spielplätzen toben ausgelassen die Kinder. „Die Nähe zum Wasser und die städtebaulichen Qualitäten haben zu einer enormen Nachfrage nach Grundstücken geführt“, berichtet Burkhardt Bahrenberg.
”Die Entscheidung, das Wohngebiet nicht mit Gas, sondern mit einer alternativen, nicht-fossilen Wärmetechnik zu versorgen, fiel bereits vor zwölf Jahren.
Andrea GillesRaumplanerin, NRW.URBAN
Das Team von NRW.URBAN nimmt zahlreiche Erfahrungen und Erkenntnisse für die Entwicklung zukünftiger Projekte mit, (v.l.) Christoph Teuber, Frank Osthoff, Aurélia Ölbey, Achim Möller, Burkhardt Bahrenberg, Jürgen Wehmer.
50 Prozent Frei- und Grünflächen
Landschaftsplaner Markus Kloidt schaut ebenfalls zufrieden in Richtung Promenade. „Die Marina Graf Bismarck ist ein Anziehungspunkt auch für Besucher von außerhalb geworden. Die großzügig angelegten Frei- und Grünflächen sind eben etwas Besonderes in einem Gebiet, in dem Wohnen
und Gewerbe vereint werden.“ Wäre hier ein privater Investor tätig geworden, der vor allem die Renditen im Blick gehabt hätte, wären wahrscheinlich nicht fast 50 Prozent des gesamten Areals nun Grün- und Freiflächen.
Als Objektbewirtschafter hat Jürgen Wehmer das Projekt seit dem Ankauf der Fläche betreut. Gerade in der Anfangsphase ging es für ihn darum, die für einen solchen „Lost Place“ typischen illegalen Nutzungen zu unterbinden und die Entwicklung zum modernen Stadtquartier zu begleiten. Jürgen Wehmer: „Ich kenne jede Ecke und hatte unzählige Termine vor Ort. Am Wochenende radle ich gern hier vorbei und freue mich, dass der Standort von ganz vielen Menschen aus der Region als grüne Oase am Kanal genutzt wird.“
Fotos: Christoph Kniel
Den Boden für Neues bereiten
Achim Möller, Recyclingexperte im Team „Planung | Steuerung | Bau“, hat im wahrsten Sinne des Wortes den Boden für das, was heute auf Graf Bismarck existiert, bereitet. „Wenn ich mir das neue Stadtquartier Graf Bismarck mit seinen Hochbauten und der Marina ansehe, dann hat es sich gelohnt, rund elf Millionen Euro in die Bodensanierung und Herrichtung der Baufelder zu investieren“, sagt er. Beim Brachflächenrecycling mussten sein Team und er sowie die beauftragten Fachfirmen so manche Hürde überwinden. Insbesondere der Bau einer neuen Hafenspundwand stellte die Ingenieure und Techniker vor eine große Herausforderung. Diese mussten sich durch Trümmerschutt, der von einem Bombentreffer aus dem Zweiten Weltkrieg stammte, arbeiten. „Haben wir natürlich auch geschafft“, fügt er nicht ohne Stolz hinzu.
Christoph Teuber, Bauingenieur im Bereich „Planung | Steuerung | Bau“, hat über das Projekt seine Liebe zum Wasser entdeckt. „In der Regel baue ich Straßen und Infrastrukturkanäle, zum ersten Mal in meiner Laufbahn konnte ich einen Schiffsanleger bauen“, berichtet er. Von der Planung über die Abstimmungen mit einer Spezialfirma in Andernach bis zum Anlegen des ersten Schiffes war er dabei. So wundert es nicht, dass er auf die Frage, wo er selbst eine Wohnung auf Graf Bismarck beziehen würde, antwortet: „Wir haben im Zuge der Entwicklung ein Hafenbecken integriert. Das habe ich in dieser Form auf keiner anderen Fläche erlebt. Gern hätte ich eine Wohnung mit Blick auf das Wasser.“
Mit Recht stolz auf das Projekt
Julia Wallutat ist Juristin bei NRW.URBAN und eine wichtige Stütze für alle Projekt- teams im Backoffice in Düsseldorf. Vergaberecht und Förderrichtlinien kennt sie wie keine andere. Da sie zum Projekt dazu gestoßen ist, als es schon sehr weit gediehen war und vor allem die Themen Vermarktung und Endausbau anstanden, hielten sich die kniffligen Fälle aus dem Verwaltungsrecht für sie in Grenzen: „Manches, mit dem ich mich beim Projekt Graf Bismarck auseinandersetzen musste, war eher zum Schmunzeln. Dabei ging es zum Beispiel um Aufforderungen, Laternen zu versetzen, die ins Schlafzimmer schienen. Oder darum, eine intensiv gepflegte Hecke nicht zurückbauen zu müssen, obwohl sie in eine für den Straßenendausbau vorgesehene Fläche gepflanzt wurde.“ Sie ergänzt: „Die Kolleginnen und Kollegen haben oft viel Überzeugungskraft
aufbringen müssen, um hier zu Lösungen zu kommen. Sie dabei zu unterstützen, hat mir viel Spaß gemacht.“
Heute für morgen planen
Andrea Gilles, Raumplanerin, stieß ebenfalls erst spät zum Projekt. Sie zollt vor allem der Weitsichtigkeit ihrer Kolleginnen und Kollegen Respekt. So fiel die Entscheidung, das Wohngebiet nicht mit Gas, sondern mit einer alternativen, nicht-fossilen Wärmetechnik zu versorgen, bereits vor zwölf Jahren. Gutachten zu Solar- und Geothermie sowie zu effektiven Wärmepumpensystemen wurden erstellt. Schließlich entschied sich das Projektteam für die Installation von Luftwärmepumpen. Für die vom nachhaltigen Planen überzeugte Fachfrau steht fest: „Es ist ein gutes Gefühl an einer Planung für ein neues Stadtquartier beteiligt zu sein, die eine altindustrielle Fläche in solch zukunftsweisender Form gestaltet.“
Apropos Gestaltung. So einig sich alle Beteiligten in Sachen Nachhaltigkeit, Dichte und Freiraumgestaltung sind, so gehen die Meinungen bei einigen architektonischen Details doch auseinander. Die Ideen sprudeln, als eine noch nicht bebaute Fläche von 1.200 Quadratmetern diskutiert wird: Ein schlankes Hochhaus als Landmarke sehen hier die einen, einen gläsernen kleinen Kunst- und Ausstellungskubus die anderen. Eckhard Forsthövel, Architekt im Team
„Planung | Steuerung | Bau“, bringt es auf den Punkt: „Das ist Geschmackssache.“ Für ihn
spielen neben ästhetischen Grundsätzen Themen wie Nachhaltigkeit und sozial gerechtes Bauen eine wichtige Rolle. Hier sei das Projekt Graf Bismarck ambitioniert, insgesamt sei bezüglich dieser Themen in NRW aber noch Luft nach oben. „Mit den im Bebauungsplan und im Gestaltungshandbuch formulierten Vorgaben und der Einrichtung eines Gestaltungsbeirates hat Graf Bismarck Vorbildcharakter, wie auch zukünftig nachhaltige und soziale Aspekte bei Bauprojekten mit privaten Investoren berücksichtigt werden können.“ Und was nimmt das Projektteam mit, aus einem Projekt, das weitgehend abgeschlossen ist? Neue Kenntnisse, viele Ideen für ähnlich gelagerte Projekte, wichtige Kontakte zu außergewöhnlichen Expertinnen und Experten und zwei alte Ziegelsteine, in die das Logo der Zeche Graf Bismarck eingebrannt ist.
INFO
Graf Bismarck – Das Projekt
Ein in den 1970er-Jahren aufgegebener Kraftwerksstandort der Zeche Graf Bismarck am Rhein-Herne-Kanal ist heute eines der attraktivsten und gefragtesten Wohnquartiere in Gelsenkirchen. Mittlerweile sind fast alle Flächen des insgesamt 82 Hektar großen Geländes bebaut, verplant oder reserviert: Herzstück von „Graf Bismarck“ ist das „Hafenviertel“. Rund um das alte Hafenbecken mit Promenade, Kanaluferpark und Freizeithafen haben sich Geschäfte, Cafés und Restaurants angesiedelt. Die Wohnlage ist sehr begehrt. Das „Kanalviertel“ im Nord-Osten des Areals prägen mehrgeschossige Wohn- und Geschäftshäuser mit sehr unterschiedlichen Nutzungen, darunter auch eine Weiterbildungseinrichtung und ein ambulanter Pflegedienst. Im „Gartenviertel“ südlich des Hafenviertels sind die Strukturen kleinteiliger. Private Bauträger haben in Grundstücke zwischen 300 und 1.000 Quadratmetern Größe investiert. Südlich des Gartenviertels liegt das sogenannte „Waldviertel“, mit dessen Vermarktung aber noch nicht begonnen wurde. Die Vermarktung des „Parkviertel“, in dem sich gewerbliche Bauflächen befinden, ist weitestgehend abgeschlossen. Mit einer Kindertagesstätte mit 75 Plätzen, einer Parkanlage mit drei Kinderspielplätzen und einem Demenz-Wohnprojekt bietet das Quartier Perspektiven für alle Generationen. Die Gastronomiebetriebe am Wasser, die Marina „Stölting Marina“ mit fünf Hauptsteganlagen für bis zu 70 Sportboote sowie ein Fahrgastschiffanleger der Weißen Flotte machen „Graf Bismarck“ zum beliebten Freizeit-Hotspot. Im Jahr 2000 hatte das Vorgänger-Unternehmen von NRW.URBAN, die LEG Stadtentwicklung, das Grundstück im Rahmen des Grundstücksfonds NRW angekauft. Seit 2007 entwickelt und vermarktet NRW.URBAN die Flächen in enger Kooperation mit der Stadt Gelsenkirchen.
Ihre Kontaktperson
Burkhardt Bahrenberg
Projektmanagement
Revierstraße 3,
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Tel.: 0231 4341.280