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BeitragJournal 2/2025

Das Fahrrad als echte Alternative zum Auto: NRW-Kommunen bauen Radinfrastruktur aus

By 16. Oktober 2025Oktober 28th, 2025No Comments10 Minuten Lesezeit
Heiligenhaus, Panoramaradweg Niederbergbahn, Viadukt Ruhrstraße Nord
Der PanoramaRadweg Niederbergbahn in Heiligenhaus: NRW.URBAN hat in einer Machbarkeitsstudie einen Lückenschluss zu weiteren Wegeverbindungen untersucht. Bild: Stefan Klink

Der aktuelle ADFC-Fahrradklima-Test zeigt: E-Bikes gewinnen in Europa zunehmend an Bedeutung. Immer mehr Menschen steigen vom Auto aufs E-Bike um – nicht nur zum Freizeitvergnügen, sondern um Alltagsstrecken zu bewältigen. Gleichzeitig steigt die Unfallgefahr, die Sicherheit von Radfahrenden rückt immer mehr in den Fokus. Diese kann vor allem die Trennung von Auto- und Radverkehr gewährleisten. Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen ertüchtigen ihre Radwegenetze.

NRW.URBAN begleitet verschiedene Projekte zur Verbesserung der Nahmobilität in Nordrhein-Westfalen: In Bochum zum Beispiel unterstützen Expertinnen und Experten der NRW.URBAN Kommunale Entwicklung GmbH die Kommune aktuell beim Ausbau des gesamten Velorouten-Netzes. Insgesamt plant die Stadt 13 Velorouten. Sie sollen das ganze Stadtgebiet durchziehen und neue und vor allem sicher zu befahrende Radwegeverbindungen als Alternativrouten zu stark durch den Autoverkehr belasteten Straßen bilden. Die Stadt Heiligenhaus wiederum hat die NRW.URBAN Kommunale Entwicklung GmbH beauftragt, eine Machbarkeitsstudie für die Realisierung einer Routenführung entlang der Autobahn 44 zu erstellen.

Was sind Velorouten?

Velorouten sind innerstädtische Radrouten, die das Fahrrad als gute Alternative zum Auto im Alltagsverkehr bevorzugt abseits der Hauptverkehrsstraßen etablieren sollen. Sie sollen dem Radverkehr stets Vorrang bieten, kaum Steigungen beinhalten und eine Fahrgeschwindigkeit von circa 25 km/h ermöglichen, durch eine Verkehrsführung in angemessener Breite abseits großer Straßen aber auch Raum für unterschiedliche Reisegeschwindigkeiten geben. In gut markierten Kreuzungsbereichen soll der Radverkehr stets Vorrang haben. Der Ausbau des Radnetzes Bochum folgt diesem Prinzip: Radfahrende sollen zentrale Anlaufpunkte in der Innenstadt und in den Stadtteilzentren bequem mit dem Rad erreichen können.

Dilemma der urbanen Mobilität

Radfahren ist gesünder, umweltfreundlicher und in dicht besiedelten Städten schon jetzt sogar manchmal schneller als die Fahrt mit dem Auto. Doch nicht alle Bürgerinnen und Bürger sind begeistert von der Radfahroffensive. Nicht immer zieht Politik an einem Strang, wenn unterschiedliche Interessenlagen aufeinanderprallen. Denn dort, wo die Straßen eng sind und die Wohnbebauung dicht ist, müssen Parkplätze oder Fahrstreifen, die bisher dem Autoverkehr vorbehalten waren, weichen. Zwar profitieren häufig auch Autofahrende und Fußgängerinnen und Fußgänger vom Radwegebau, weil marode Fahrbahndecken und Gehwege im Zuge der Baumaßnahmen ebenfalls saniert werden, es ist aber immer schwierig, einer bestimmten Bevölkerungsgruppe „etwas wegzunehmen“.

Der ADFC wiederum bemängelt, dass die Verwaltungen häufig zu viele Zugeständnisse an den Autoverkehr machen und sich von der Politik unter Druck setzen lassen würden. „Die Planung in Bochum hat zwei Jahre gedauert, vor allem weil politische Vertreterinnen und Vertreter auf den Erhalt von Autoabstellflächen auf Fahrbahnen beharrten“, sagt Marek Nierychlo, Vorsitzender des ADFC Bochum. Auch in der Nachbarstadt Dortmund gibt es immer wieder Fahrrad-Demonstrationen, zuletzt Ende August eine sogenannte Endlos-Fahrt von Fridays for Future. Die Gruppe bemängelt ebenfalls den „schleppenden Fortschritt“ beim Ausbau des Radverkehrsnetzes.

Dies macht ein Dilemma der urbanen Mobilität deutlich. Wo der städtische Raum begrenzt ist, gibt es regelrechte Verteilungskämpfe: Wo Autos parken, können Fahrräder nicht fahren, Fußgängerinnen und Fußgänger fühlen sich unwohl, wenn E-Bikes mit hoher Geschwindigkeit an ihnen vorbeirauschen. Ein modernes städtisches Verkehrskonzept braucht eine wichtige Voraussetzung aller: Rücksichtnahme!

Bochum steigt aufs Rad um

Nach ihrer Fertigstellung Ende 2025 stellt die Veloroute 1 in Bochum eine rund vier Kilometer lange fahrradfreundliche Alternative zu einer der Hauptverkehrsstraßen in der Ruhrgebietsstadt, der Herner Straße, dar. Bochumerinnen und Bochumer können jetzt zügig und sicher von der Innenstadt in den Stadtteil Riemke mit dem Fahrrad fahren. Neue Fahrbahnmarkierungen wurden gezogen, Beleuchtungsanlagen angebracht, Tiefbau- und Asphaltarbeiten durchgeführt. „Die Velorouten sollen Radfahrende sicher und leicht an ihre Ziele in Bochum bringen“, so Stadtbaurat Dr. Markus Bradtke. „Die Veloroute 1 verbindet zum Beispiel entlang der U-35-Haltestellen Orte wie das Urban Green Am Hausacker in Riemke mit dem Bergbaumuseum und der Technischen Hochschule.“ Die Kosten für den Ausbau liegen bei rund 2,7 Millionen Euro. Die Stadt hat einen Förderantrag zur Übernahme von bis zu 90 Prozent gestellt.

Im Gegensatz zu den Radschnellwegen haben Radfahrende auf Velorouten nicht grundsätzlich Vorrang in Kreuzungsbereichen. Die Stadt Bochum plant jedoch entlang der Strecke intelligente Ampelanlagen, die erkennen, wenn sich Radfahrende nähern. Die Erfahrungen aus dem Echtbetrieb der ersten Veloroute in Bochum sollen in den Bau der weiteren schnellen Radverbindungen einfließen: Eine solarstrombetriebene Radzählstelle soll zeigen, wie viele Radfahrende die Veloroute 1 nutzen. Dr. Markus Bradtke: „Mit dem Ausbau der Velorouten möchten wir den Radverkehrsanteil in Bochum bis 2030 von derzeitigen acht Prozent auf 15 Prozent steigern.“

Drohnenaufnahme des Opel-Springorum-Radwegs in Bochum
Der Springorum-Radweg in Bochum: NRW.URBAN unterstützt Planungen zum Bau der Opeltrasse, die weitere Quartiere an diesen bedeutenden Fahrradweg anbindet. Bild: Christoph Kniel

Förderprogramme

Förderrichtlinie Nahmobilität (FöRi-Nah):

Wenn Kommunen Maßnahmen planen, um die Bedingungen für den Fuß- und Radverkehr zu verbessern, können sie für verschiedene Maßnahmen Zuschüsse erhalten.

www.foerderdatenbank.de/FDB/Content/DE/Foerderprogramm/Land/NRW/nahmobilitaet

Förderung der Vernetzten Mobilität und des Mobilitätsmanagements (FöRi-MM):

Bei diesem Programm geht es weniger um die Förderung des Trassenbaus als um Begleitmaßnahmen wie Mobilstationen und Fahrradabstellanlagen, also Services, die das Radfahren attraktiver machen und die Multimodalität fördern.

www.brd.nrw.de/Themen/Verkehr/Strassenverkehr/Foerderung-der-Vernetzten-Mobilitaet-und-des-Mobilitaetsmanagements

Nachhaltige Städtische Mobilität für alle:

Dieses Anfang des Jahres 2024 veröffentlichte Programm fördert gebündelte Maßnahmen zur nachhaltigen Mobilität in NRW.

www.in.nrw/massnahmen/nachhaltige-mobilitaet

Neue Veloroute entlang der A44

Seit 2011 nutzen Radfahrende aus Heiligenhaus, Velbert, Wülfrath und Haan sowie Radtouristinnen und -touristen rege den PanoramaRadweg „Niederbergbahn“. Auf einer Gesamtlänge von rund 40 Kilometern verläuft diese nahezu kreuzungsfreie Strecke über die Trasse der ehemaligen Eisenbahnstrecke. Sie ist Teil von insgesamt über 300 Kilometern stillgelegter Bahnstrecken, die durch die BahnflächenEntwicklungsGesellschaft NRW als durchgehende Liegenschaftsbänder gesichert wurden und nun sukzessive zu Radwegen ausgebaut werden.

Jetzt plant die Stadt Heiligenhaus, ihre Radwegeinfrastruktur bis 2035 noch weiter zu verbessern, um den Verkehr zunehmend auf umweltfreundliche Verkehrsmittel zu verlagern und damit den Umweltverbund zu stärken. Um Autopendlerinnen und -pendlern zwischen Ratingen, Heiligenhaus und Velbert eine echte Alternative bieten zu können, soll in Zukunft eine Veloroute entlang der A 44 von Ratingen-Homberg bis zum Stadtteil Hetterscheidt in Heiligenhaus führen. Der Stadtteil Hetterscheidt grenzt an Velbert, sodass die Veloroute ein Plus für Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer aller drei Städte sein wird.

NRW.URBAN hat für eine Machbarkeitsstudie eine circa sechs Kilometer lange Strecke vom östlichen Ratingen bis zum westlichen Velbert untersucht und die Stärken und Schwächen unterschiedlicher Wegeführungen analysiert. Dabei spielten vor allem die Eigentumsverhältnisse von – meist landwirtschaftlich – genutzten Flächen sowie die topografischen Gegebenheiten eine besondere Rolle. Velorouten sollen Radwege für jedes Fahrniveau sein, extreme Steigungen müssen gegebenenfalls durch aufwendige Baumaßnahmen angeglichen werden. Da der Fokus der Mobilität in den betroffenen Städten bisher eher auf dem motorisierten Verkehr lag, gilt es zudem, Nutzungskonflikte zu vermeiden. Das kann gelingen, indem möglichst getrennte Hauptrouten für die einzelnen Verkehrsteilnehmenden gefunden werden.

Nordrhein-Westfalen tritt in die Pedale

Zahlreiche Kommunen Nordrhein-Westfalens planen im Schulterschluss mit Nachbarstädten und -gemeinden Velorouten. Die kommunalen und interkommunalen Projekte schaffen durchgängige Alltagsverbindungen für Pendlerinnen und Pendler, die vom Auto aufs Rad umsteigen möchten. Einige Beispiele:

Köln – Ring frei

In Köln wurde bis 2022 ein Radhauptroutennetz erarbeitet. Dieses Zielkonzept bildet die zukünftigen Radhauptrouten ab und dient der Berücksichtigung des Radverkehrs bei zukünftigen Planungen. Die Stadt Köln will ein zusammenhängendes, durchgehend befahrbares Radverkehrsnetz für jeden Bezirk schaffen. Dieses Netz soll darüber hinaus die Bezirke miteinander verbinden. Vorbildcharakter hat bereits die Neugestaltung der Kölner Innenstadtringe. Mit aktiver Beteiligung der Öffentlichkeit wurden dort Maßnahmen zur Verbesserung des Fahrrad- und Fußverkehrs umgesetzt. Die Zahl der Radfahrenden und Fußgängerinnen und Fußgänger ist seitdem stark gestiegen. Unfälle nahmen signifikant ab.

Düsseldorf – im Netz

Die Stadt Düsseldorf bietet einen digitalen Fahrradnetzplan („Radwege und mehr“) auf Düsseldorf Maps an. Kombiniert mit der stadtweiten Beschilderung eines Knotenpunktnetzes führt das System Radfahrende zielgenau von A nach B. Düsseldorf plant aktuell den Bau von vier Velorouten. Diese Routen sollen die Stadtteile vernetzen und die Verkehrswende unterstützen. Konkret sind dies eine Ost-West-Achse, zwei Nord-Süd-Routen (eine linksrheinisch) und eine weitere Route, die durch die Stadtmitte führen soll.

Wuppertal – über’n Berg

Die Stadt Wuppertal und der Kreis Mettmann sind in die Planung für eine zukünftige Veloroute zwischen Düsseldorf und Wuppertal gestartet. Die Umsetzung ist ein Gemeinschaftsprojekt der Stadt Wuppertal, des Kreises Mettmann und der Bergischen Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Die Projektpartner erwarten gemäß Machbarkeitsstudie, dass rund 3.000 Menschen täglich die knapp 19 Kilometer lange Veloroute zwischen Düsseldorf-Vennhausen und Wuppertal-Vohwinkel abschnittsweise befahren werden. Dadurch ließen sich im Jahr 2,6 Millionen Pkw-Kilometer einsparen.

Ostwestfalen-Lippe – über Land

In Ostwestfalen-Lippe befinden sich mehrere Radschnellweg‑Projekte in Planung: Zwischen Minden und Herford soll der Radschnellweg Ostwestfalen-Lippe (RS3 OWL) verlaufen. Diese Verbindung befindet sich bereits in der konkreten Planungsphase. Ergänzend wurde das Projekt „Radschnellweg OWL 2.0“ angestoßen, das den RS3 OWL in südwestlicher Richtung von Herford über Bielefeld und Gütersloh bis nach Rheda-Wiedenbrück verlängern soll.

Münster – 14 Routen

Wo, wenn nicht hier? Die Stadt Münster wird immer wieder als Modell genannt, wenn es um die alltagsorientierte Radmobilität geht. Insgesamt plant und baut Münster 14 Velorouten, die Nachbarkommunen in der Stadtregion Münster mit der City verbinden. Die aktuellen Routen, den Fortschritt des Baus und den öffentlichen Diskurs zum Thema können Interessierte unter veloregion.de mitverfolgen. Das stadtregionale Veloroutennetz wird im Endausbau circa 220 Kilometer Radwege umfassen.

Kreis Coesfeld – am Kanal

Vier Städte und Gemeinden im Kreis Coesfeld planen eine 30 Kilometer lange schnelle Radverbindung entlang des Dortmund-Ems-Kanals – mit nördlichem Anschluss nach Münster und südlicher Verknüpfung ins Ruhrgebiet. Dafür machen Dülmen, Lüdinghausen, Olfen und Senden gemeinsame Sache. Aktuell prüfen die Städte die Förderkulisse, um das fünf Millionen Euro teure Projekt umsetzen zu können.

NRW.URBAN Journal 2/2025 Stapel

Dieser Artikel ist Teil des NRW.URBAN Journals 2/25

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