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BeitragInterviewJournal 1/2025

Heute für morgen planen: Hattingen baut ein Klimaquartier

By 2. Mai 2025Mai 6th, 2025No Comments10 Minuten Lesezeit
Jens Hendrix, Baudezernent der Stadt Hattingen, und Ludger Kloidt, Geschäftsführer von NRW.URBAN in Hattingen
Der Weg vom Rathaus zum zukünftigen Klima-Quartier führt durch die idyllische Hattinger Altstadt.

NRW.URBAN zu Gast in Hattingen: Bei strahlendem Sonnenschein tauschten sich Jens Hendrix, Baudezernent der Stadt Hattingen, und Ludger Kloidt, Geschäftsführer von NRW.URBAN, während eines Stadtrundgangs über die Leitlinien für eine moderne, klimaorientierte Stadtentwicklung aus. NRW.URBAN ist seit Jahrzehnten über zahlreiche Projekte mit der Stadt im Ennepe-Ruhr-Kreis verbunden, die gemeinsame Entwicklung der ehemaligen Henrichshütte zu einem Gewerbe- und Landschaftspark über den Grundstücksfonds NRW legte bereits in den 1990er-Jahren den Grundstein für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Ende März führte der Weg Jens Hendrix und Ludger Kloidt vom Rathaus durch die pittoreske Altstadt mit zahlreichen historischen Fachwerkhäusern zum zukünftigen Wohnbaugebiet und KlimaQuartier.NRW „Pottacker“.

Jens Hendrix, Baudezernent der Stadt Hattingen, und Ludger Kloidt, Geschäftsführer von NRW.URBAN in Hattingen
Jens Hendrix, Baudezernent der Stadt Hattingen, und Ludger Kloidt, Geschäftsführer von NRW.URBAN in Hattingen

Über welches Modul aus der Bau.Land.Leben-Familie steht NRW.URBAN der Stadt Hattingen dieses Mal zur Seite?

Ludger Kloidt: Das Projekt „Pottacker“ in Hattingen steht exemplarisch für eine moderne, klimaorientierte Stadtentwicklung, die sich den Prinzipien der Nachhaltigkeit verpflichtet. Auf einem rund drei Hektar großen Areal entstehen zeitgemäße Wohnformen – davon mindestens 30 Prozent als öffentlich geförderter Wohnraum – grüne Freiräume und innovative Mobilitäts- und Energiekonzepte. Wir unterstützen die Stadt Hattingen hier mit der Kooperativen Baulandentwicklung im Rahmen der Landesinitiative Bau.Land.Leben.

Jens Hendrix, Baudezernent der Stadt Hattingen, und Ludger Kloidt, Geschäftsführer von NRW.URBAN in Hattingen
Bilder: Martin Steffen
Jens Hendrix, Baudezernent der Stadt Hattingen, und Ludger Kloidt, Geschäftsführer von NRW.URBAN in Hattingen
In Hattingens City gibt es noch zahlreiche Cafés und Restaurants sowie inhabergeführte Fachgeschäfte.

Was charakterisiert ein „KlimaQuartier.NRW“?

Jens Hendrix: Die Stadt Hattingen hat das ehrgeizige Ziel, hier, am Rande der Innenstadt ein Neubaugebiet nach den Kriterien des Programms KlimaQuartier.NRW, das vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie ausgeschrieben wird, umzusetzen. Insgesamt stehen drei
wesentliche Ziele im Vordergrund: eine klimafreundliche Energieversorgung mit hohem Anteil erneuerbarer Energien, ein zukunftsfähiges Mobilitätskonzept sowie eine sozial wie städtebaulich nachhaltige und ressourcensparende Quartiersgestaltung. Um die Entwicklung umsetzen und alle Kriterien für das Programm erfüllen zu können, haben wir uns durch die Kooperative Baulandentwicklung, ein Instrument, das NRW.URBAN für das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen umsetzt, Unterstützung gesichert. Wir sind sehr froh, dass die Landestochter NRW.URBAN uns personelle und finanzielle Ressourcen für die Planung und Umsetzung unserer Ideen zur Verfügung stellt.

Jens Hendrix, Baudezernent der Stadt Hattingen, und Ludger Kloidt, Geschäftsführer von NRW.URBAN in Hattingen

Gelingt hier eine nachhaltige,attraktive Entwicklung, kann das andere Kommunen motivieren, scheinbar unbrauchbare Flächen für eine Entwicklung in Betracht zu ziehen.

Ludger KloidtGeschäftsführer, NRW.URBAN

Wir blicken hier auf ein langgezogenes, eher schmales Grundstück mit Büschen und Bäumen und Rasenflächen. Warum wurde das Areal für die Entwicklung ausgewählt?

Jens Hendrix: Die Stadt hat die Fläche bereits in den 1970er Jahren angekauft. Damals gab es Pläne, hier eine Umgehungsstraße zu bauen, die aber nie umgesetzt wurden. Vor etwa 15 Jahren planten Verwaltung und Politik, die Fläche als Baugrund zu vermarkten – mit einer aufgelockerten Bebauung, u.a. mit Einfamilienhäusern. Auch dieser Ansatz wurde nicht weiterverfolgt. Mitte 2022 beschloss der Rat der Stadt, noch einmal alles auf Null zu setzen und ein verdichtetes, zeitgemäßes, klimafreundliches Quartier zu schaffen.

Ludger Kloidt: Die besondere Innenstadtlage hat das Projekt auch für unsere Planungsteams sehr spannend gemacht. Hier in Hattingen verwirklichen wir das erste Projekt im Rahmen einer Kooperativen Baulandentwicklung, das so zentral gelegen ist. Es handelt sich um eine Nachverdichtung, eine städtebaulich schwierig zu lösende Aufgabe, denn die langgezogene schmale Fläche fordert auch erfahrene Stadtplanerinnen und Stadtplaner heraus. Gelingt hier eine nachhaltige, attraktive Entwicklung, kann das andere Kommunen motivieren, scheinbar unbrauchbare Flächen für eine Entwicklung in Betracht zu ziehen.

Jens Hendrix: Es war eine sehr gute Entscheidung, noch einmal neu zu denken. Dies kostet zwar erneut Zeit und Geld, es können so aber in zentraler Lage deutlich mehr Wohnungen entstehen, die dem aktuellen Bedarf entsprechen.

Was ist der aktuelle Bedarf?

Jens Hendrix: Wir benötigen bezahlbare Wohnungen in urbaner Lage für junge Familien, barrierearme Wohnungen für ältere oder mobilitätseingeschränkte Personen, kleinere Wohnungen für Paare und Singles – alle Wohnformen außer dem klassischen Einfamilienhaus.

Ludger Kloidt: Zumal, sollten sich ältere Menschen entscheiden, ihre inzwischen zu groß gewordenen Einfamilienhäuser zugunsten einer kleineren, barrierefreien Wohnung zu verlassen, ja auch wieder Wohnraum im Eigenheimsegment frei wird. Entscheiden sich Interessenten in ein solches älteresEinfamilienhaus zu ziehen, ist das einzusätzlicher Nachhaltigkeitsfaktor. Die so genannte „graue Wohnungsnot“ ist zudem ein Thema, dass bei vielen Kommunen und bei uns in den Teams zunehmend diskutiert wird. In vielen Städten fordert die kommende Rentnerinnen- und Rentnergeneration den Wohnungsmarkt heraus. Die geburtenstarken Jahrgänge kommen ins Seniorenalter, es mangelt in vielen Städte an altersgerechten Wohnungen in zentralen Lagen. Es ist höchste Zeit, dagegen zu steuern, so wie es hier in Hattingen jetzt geschieht.

Warum ist der Pottacker prädestiniert für ein Klimaquartier?

Jens Hendrix: Das Gebiet liegt am Rande unserer idyllischen Altstadt. Glücklicherweise hat Hattingen noch eine sehr belebte City, mit vielen Fachgeschäften, Restaurants und Cafés. Vom Pottacker aus sind innerhalb von 10 Minuten zu Fuß Ärzte, Supermärkte, unser Bürgerzentrum Holschentor, die Grundschule und die Fußgängerzone erreichbar. Da wir schon seit vielen Jahren Innenentwicklungen dem Verbrauch von Flächen im Grünen vorziehen und das Konzept der Stadt der kurzen Wege verfolgen, erweist sich der Pottacker als idealer Standort für unser Vorhaben, ein Klimaquartier zu schaffen. Gemeinsam mit NRW.URBAN haben wir weitere Kriterien geschärft, die ein Klimaquartier erfüllen soll: ein günstiges Verhältnis von Oberfläche zu Volumen der Baukörper, die Ausrichtung und Solarisierung der Gebäude, die Dichte im Quartier. Zudem werden wir prüfen, ob die Wärmeversorgung über ein Nahwärmenetz möglich ist, damit wir energetisch gute Angebote an Investoren adressieren können.

Ludger Kloidt: In einem „KlimaQuartier.NRW“ spielen aber nicht nur energetische Aspekte, sondern auch städtebauliche und soziale Gesichtspunkte eine Rolle. Damit decken sich viele Kriterien auch mit denen, die wir auch für das Landesprogramm zur Kooperativen Baulandentwicklung entwickelt haben. Dazu gehört zum Beispiel, dass mindestens 30 Prozent der Wohneinheiten für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden müssen.

Jens Hendrix, Baudezernent der Stadt Hattingen, und Ludger Kloidt, Geschäftsführer von NRW.URBAN in Hattingen
Ludger Kloidt (l.), Geschäftsführer von NRW.URBAN, und Jens Hendrix, Baudezernent der Stadt Hattingen, auf der Fläche, auf der ein attraktives Wohnquartier entstehen soll.

Was zeichnet das Klimaquartier noch aus?

Jens Hendrix: Das Quartier wird im Inneren autoarm gestaltet, das heißt, dass Autos nur zum Be- und Entladen ins Wohngebiet fahren und in Mobility Hubs mit geringem Stellplatzschlüssel pro Wohneinheit parken. Dafür gibt es an den Mobility-Hubs dann ergänzende Angebote. Durch das Gebiet wird eine Fahrradstraße führen, die ans Fuß- und Radwegenetz angebunden ist. Das Gebiet wird mit den umgebenden Fuß- und Radwegen eng vernetzt und ist zudem gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.

NRW.URBAN moderiert sachlich und ohne Begehrlichkeiten, das tut der Sache sehr gut.

Jens HendrixBaudezernent der Stadt Hattingen
Jens Hendrix, Baudezernent der Stadt Hattingen, und Ludger Kloidt, Geschäftsführer von NRW.URBAN in Hattingen

NRW.URBAN ist für die Stadt Hattingen aktuell eine Entwicklungsgesellschaft auf Zeit. Sie haben in Hattingen selbst auch ein Team sehr fähiger und innovativer Stadtplanerinnen und Stadtplaner. Was ist der Vorteil der Kooperation?

Jens Hendrix: Zum einen ist der Blick von außen sehr hilfreich. Die Expertise von Planerinnen und Planern, die immer wieder in unterschiedlichen Kommunen tätig sind, stärkt uns, von etablierten Denkweisen zu abstrahieren. Sie unterstützt unsere Fachabteilung zudem, wenn es um Argumente gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit geht. NRW.URBAN moderiert sachlich und ohne Begehrlichkeiten, das tut der Sache sehr gut. Besonders wirkungsvoll war zum anderen die Wettbewerbsbetreuung. Wir konnten eine sehr hohe städtebauliche Qualität erreichen.

Ludger Kloidt: Und das betrifft nicht nur den städtebaulichen Wettbewerb, sondern auch den Studierendenwettbewerb. Ein Ideenwettbewerb unter dem Stadtplanungsnachwuchs gehört zum festen Bestandteil unserer Projekte der Kooperativen Baulandentwicklung. Die ersten Entwürfe für das Baugebiet wurden von Studierenden der Fakultät für Raumplanung der TU Dortmund erarbeitet und anschließend in einem städtebaulichen Wettbewerb weiterentwickelt. Dieser Wettbewerb diente dazu, die gestalterische Qualität zu sichern und zukunftsweisende Konzepte zu fördern.

Hat da der Studierendenwettbewerb besondere Anregungen gebracht?

Jens Hendrix: Ja, durchaus! Mich hat die Vielzahl der Ideen und Szenarien überrascht. Da wir bei diesem Projekt schon einen alten Bebauungsplan vorliegen hatten, war unser Blick vielleicht etwas eingeengt. Wir dachten, es gäbe kaum noch Gestatungsspielraum – wegen der Grundstücksform, dem bereits gesetzten Kanal, der schon gebauten Straße und dem erhaltenswerten Baumbestand.

Was hat an dem Siegerentwurf überzeugt?

Jens Hendrix: Vor allem der sensible Umgang mit der Bestandssituation und den Grünflächen. Die Arbeit des Büros ISR Innovative Stadt- und Raumplanung GmbH hat das Preisgericht bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der LokalGestalpolitik und externen Fachleuten überzeugt. Durch die Ausbildung kleiner Wohnhöfe und der geschickten Positionierung der Baukörper entsteht trotz der Linearität des Gebietess.we eine große räumliche Vielfalt. Die Einfassung der beiden Freiraumbänder sowie die Berücksichtigung der Bestandsbäume schaffen gute öffentliche Räume und dennoch “intime” Wohnbereiche zur Gemeinschaftsbildung. Insgesamt haben wir uns die Ideen von acht Büros angeschaut. Ohne die Unterstützung von NRW.URBAN hätten wir einen solchen Aufwand nicht betreiben können.

Wie geht es nun weiter, was sind die nächsten Schritte in Richtung Klimaquartier?

Jens Hendrix: Wir befinden uns aktuell im Bebauungsplanverfahren, für das wir etwa zwei Jahre angesetzt haben. Im Mai 2025 startet die frühzeitige Bürgerbeteiligung, nachdem wir die Ergebnisse aus dem Studierendenwettbewerb bereits mit Interessierten diskutiert haben und den städtebaulichen Wettbewerb im Juni vergangenen Jahres im Stadtlabor „Spinnerei“ öffentlich vorstellten. Ziel ist es, den Bebauungsplan Anfang 2026 zu beschließen.

Unser Auftrag

Hier ist die NRW.URBAN GmbH & Co. KG  tätig für das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen.

Wissenswertes

Mit der Kooperativen Baulandentwicklung unterstützt das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen Kommunen bei der Mobilisierung und Entwicklung von Wohnbaugrundstücken, auf denen später vielfältige und qualitativ ansprechende Quartiere mit einem Anteil von mindestens 30 Prozent gefördertem Wohnungsbau entstehen werden.

Städte und kleinere Kommunen oder Gemeinden im Einzugsbereich von Metropolen und Ballungsräumen werden als Wohnstandort immer beliebter. So stärkt die Initiative Bau.Land.Leben eine ganze Region.

Ihre Kontaktperson

Ludger Kloidt, NRW.URBAN

Ludger Kloidt
Geschäftsführung

Fritz-Vomfelde-Straße 10,
40547 Düsseldorf
Tel.: 0211 54238.160

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