Das Thema Nahmobilität berührt zahlreiche Handlungsfelder. Hier und da einmal einen neuen Radweg zu bauen, bringt Kommunen in Sachen Verkehrswende und die Gesellschaft auf dem Weg zur Klimaneutralität nicht weiter. Integrierte Strategien und Konzepte sind gefragt. „Das Bewusstsein für die Notwendigkeit verknüpfter Maßnahmen zur Nahmobilität ist in den vergangenen Jahren ständig gewachsen“, sagt Nadine Steffens, bei NRW.URBAN im Bereich Konzepte | Entwicklung und als Nahmobilitätsexpertin im NRW.URBAN-Mobilitäts-Hub tätig. Die Umsetzung integrierter Maßnahmen ist allerdings komplex. Wer ist im Rahmen von Quartiersentwicklungen für die Wohnraumgestaltung, wer für die Verkehrsinfrastruktur zuständig? Gibt es in einer Kommune schon ein Leitbild zur Fuß- und Radmobilität? Wie kommen Planerinnen und Planer zusammen, wenn Landes- und Kommunalrecht sich beim Straßenbau berühren?
Von der Veloroute bis zur Multimodalität
NRW.URBAN begleitet verschiedene Projekte zur Verbesserung der Nahmobilität in Nordrhein-Westfalen: In Bochum unterstützen die Expertinnen und Experten zum Beispiel die Kommune aktuell beim Ausbau des Velorouten-Netzes. In verschiedenen Bau.Land.Bahn-Projekten geht es um sinnvolle Konzepte der Multimodalität im Zusammenhang mit Städtebauprojekten im Umfeld von Stationen und Bahnhöfen. Aus den Beratungsgesprächen, die NRW.URBAN Kommunen seit 2022 zur Förderrichtlinie Nahmobilität (FöRi-Nah) anbietet, haben sich zudem erste Kooperationen ergeben: In Heiligenhaus führt NRW.URBAN eine integrierte Machbarkeitsstudie für einen Lückenschluss einer Radwegeverbindung entlang der A44 durch.
Bevor es ans konkrete Bauen geht, holen sich Städte und Kommunen also erst einmal Rat bei den NRW.URBAN-Nahverkehrsexpertinnen und -experten. Die informieren über Möglichkeiten der Radverkehrsförderung, loten Umsetzungsmöglichkeiten aus, wenn Radverkehrs- oder Stadtentwicklungskonzepte ineinandergreifen sollen, und moderieren Informations- oder Beteiligungsverfahren.
„Um die Radmobilität zu erhöhen und das Zufußgehen attraktiver zu machen, ist es wichtig, dass Kommunen das Thema Wohnen und Nahverkehrsinfrastruktur zusammendenken“, sagt Lukas Michel aus dem Bereich Konzepte & Entwicklung bei NRW.URBAN, der ebenfalls Expertise in den Nahmobilitäts-Hub einbringt. Dies sei häufig schon der Fall, oft fehle es jedoch an personellen Ressourcen für Planung und Umsetzung. Nadine Steffens ergänzt: „Auch in den ländlichen Gebieten, wo das Auto noch immer eine wichtigere Rolle spielt als in den Städten, findet ein Umdenken statt.“
Mut zum Pragmatismus
Wie kann Quartiersentwicklung aussehen, damit es den Bewohnerinnen und Bewohnern nicht schwerfällt, sich gegen das Auto und für das Fahrrad, den Bus oder sogar den Fußweg zu entscheiden? Indem der Zugang zu diesen Möglichkeiten angenehm und sicher gestaltet wird. Dabei geht es um die Integration von Radfahrenden in den fließenden Radverkehr, um die Trennung von Rad- und Autoverkehr sowie den Bau neuer Radwege, Fahrradstraßen, Brücken oder sicherer Kreuzungen. Lukas Michel: „Es gibt in Nordrhein-Westfalen und in ganz Deutschland schon viele gute Ansätze. Leider stehen sich die Verantwortlichen mit ihrem Perfektionismus häufig selbst im Weg. Bevor eine Maßnahme umgesetzt wird, muss sie erst in alle Richtungen geprüft werden und wird häufig verworfen, anstatt einen Kompromiss zuzulassen.“ Es ist zudem wichtig, die Sorgen und Bedenken der lokalen Bevölkerung ernst zu nehmen und in den Planungsprozess zu integrieren. Kommunen sollten aktiv auf die Bürger zugehen, ihre Ängste und Widerstände verstehen und nach Lösungen suchen, die sowohl den Bedürfnissen der Radfahrenden als auch den Sorgen der Autofahrenden gerecht werden. Nur durch einen offenen Dialog, der auf Verständnis und Kompromissbereitschaft basiert, können langfristig tragfähige und akzeptierte Lösungen für eine nachhaltige Mobilitätswende gefunden werden.
Wie können solche unkonventionellen Lösungen aussehen? „Was den Prozess des Planens angeht, hat Berlin ein gutes Beispiel gegeben“, berichtet Lukas Michel. Dort wurde die Entwicklung eines Veloroutennetzes sehr transparent gemacht, von der integrierten Machbarkeitsstudie bis zu den Planungsschritten konnte die Bevölkerung alle Maßnahmen nachvollziehen. „Bezogen auf die Umsetzung habe ich in Italien sehr pragmatische Lösungen gesehen. Dort wurden zum Beispiel Radwege schrittweise gebaut, erst eine Trasse abgezeichnet, einige Monate später durch Barken vom Autoverkehr getrennt, wieder einige Monate später dann als separater Radweg angelegt.“ Ein experimenteller Ansatz, um zu beobachten, wie Menschen auf die Änderung der Verkehrsführung reagieren. „Ähnliches sollte in Deutschland ja auch mit Pop-up-Radwegen ausprobiert werden, aber leider haben die sich nicht durchgesetzt“, sagt Lukas Michel.
Nadine Steffens ergänzt: „Die Regelwerke für den Bau von Fuß- und Radwegen sind bei uns sehr umfassend. Das ist einerseits gut, weil es Willkür verhindert, aber oft passen einzelne Regeln nicht zum Machbaren.“ Mutiges Planen verlangt aus ihrer Sicht manchmal auch Kompromisse, damit überhaupt etwas ins Rollen komme.
Förderprogramme
Förderrichtlinie Nahmobilität (FöRi-Nah): Wenn Kommunen Maßnahmen planen, um die Bedingungen für den Fuß- und Radverkehr zu verbessern, können sie für verschiedene Maßnahmen Zuschüsse erhalten.
Förderung der Vernetzten Mobilität und des Mobilitätsmanagements (FöRi-MM): Bei diesem Programm geht es weniger um die Förderung des Trassenbaus als um Begleitmaßnahmen wie Mobilstationen und Fahrradabstellanlagen, also Services, die das Radfahren attraktiver machen und die Multimodalität fördern.
Nachhaltige Städtische Mobilität für alle: Dieses Anfang des Jahres 2024 veröffentlichte Programm fördert gebündelte Maßnahmen zur nachhaltigen Mobilität in NRW.
Ihre Kontaktpersonen
Nadine Steffens
Konzepte | Entwicklung
Revierstraße 3,
44379 Dortmund
Tel.: 0231 4341.237
Lukas Michel
Konzepte | Entwicklung
Revierstraße 3,
44379 Dortmund
Tel.: 0231 4341.122