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BeitragFotostoryJournal 2/23Planung | Steuerung | Bau

Mit Pedalkraft über’n Eselsberg: Rad- und Gehwege-Check in Castrop-Rauxel und Bochum

By 2. Oktober 2023Keine Kommentare
Rad- und Gehwege- Check in Castrop-Rauxel und Bochum

Susanne Düwel ist Leiterin des Tiefbauamts in Bochum. Mit ihrem Team und vielen Expertinnen und Experten aus anderen Fachämtern trägt sie Verantwortung für den fahrradfreundlichen Ausbau der Ruhrgebietsstadt. Zahlreiche Projekte hat die Stadt Bochum in den vergangenen Jahren umgesetzt und angestoßen. Susanne Düwel weiß, an welchen Stellen noch Handlungsbedarf besteht und wie sichere Radwege geplant und gebaut werden. Sie ist überzeugte Radfahrerin und erledigt möglichst viele Fahrten mit dem Rad. Jeden Morgen startet sie bei Wind und Wetter um 7.00 Uhr zu Hause in Castrop-Rauxel, um pünktlich ihren Dienst im Tiefbauamt in der Bochumer City anzutreten. „Nur bei Schnee und Eis lasse ich das Fahrrad stehen“, sagt die Amtsleiterin. Das NRW.URBAN-Journal hat Susanne Düwel auf ihrem Weg zur Arbeit begleitet und sich vor Ort ein Bild von zukünftigen Herausforderungen, dem Wandel von Planungszielen und idealen Wegeführungen gemacht.

1.

Pünktlich um 7.00 Uhr ist Susanne Düwel in Castrop-Rauxel von ihrem Zuhause im Stadtteil Rauxel gestartet. Heute begleitet sie Hartmut Möller von NRW.URBAN. Ihr Weg Richtung Bochum streift das Forum und Rathaus in Castrop-Rauxel, das 1971 nach dem Entwurf der Dänen Arne Jacobsen und Otto Weitling fertiggestellt wurde. Susanne Düwel ist mit einem Dienstrad-E-Bike unterwegs. „Beim Fahrrad-Leasing können Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der städtischen Verwaltung einen Teil ihres Gehalts umwandeln und so Fahrräder oder Pedelecs finanzieren“, erläutert sie. Allerdings steht diese Möglichkeit je nach Tarifvertrag und Anstellungsstatus nicht uneingeschränkt allen Mitarbeitenden offen. Susanne Düwel: „Tarife und Gesetze sollten Fahrräder den Autos gleichstellen. Da ist noch ein Umdenken erforderlich.“

Rad- und Gehwege- Check in Castrop-Rauxel und Bochum
Susanne Düwel (Stadt Bochum) während der Radtour
Rad- und Gehwege- Check in Castrop-Rauxel und Bochum

Tarife und Gesetze sollten Fahrräder den Autos gleichstellen. Da ist noch ein Umdenken erforderlich.

Susanne DüwelLeiterin des Tiefbauamtes, Stadt Bochum

2.

Hartmut Möller vom Bereich „Planung | Steuerung | Bau“ hat bei NRW.URBAN den Kompetenz-Hub Mobilität wesentlich mitgeprägt und begleitet im Rahmen der Kommunalen Entwicklung verschiedene Projekte der Stadt Bochum, bei denen innovative Lösungen für die Nahmobilität eine wichtige Rolle spielen. Deshalb macht er heute gemeinsam mit Susanne Düwel den Praxistest. Die beiden erreichen den Kreisverkehr auf der Bahnhofstraße in Castrop-Rauxel. Hier treffen sich Auto-, Bus- und Radverkehr. Der Radweg führt Zweiradfahrende auf einer rot gepflasterten gehwegbegleitenden Trasse sicher in alle Richtungen.

3.

„Die Wegführung hinter der Bushaltestelle ist nicht optimal“, erläutert Susanne Düwel. Wenn Busse ankommen und Menschen aussteigen, rechnen diese häufig nicht mit dem Radverkehr. Radfahrende wiederum unterbrechen oder bremsen nur ungern die Fahrt. Rangeleien und Karambolagen sind meist keine Absicht, sondern Folge von Unaufmerksamkeit. Der Radweg hier in Castrop-Rauxel wurde vor circa 20 Jahren gebaut. „Damals war dies ein hoher Standard“, so Susanne Düwel, „heute würden wir eine deutliche Trennung von Geh- und Radweg sowie Haltestellenbereich befürworten.“

Unübersichtliche Radwegführung an einer Bushaltestelle
Bilder: Martin Steffen
Diese Stelle ist für alle Verkehrsteilnehmenden völlig unübersichtlich und stark verbesserungsbedürftig.
Abbiegen auf den "Schmalen Hellweg"

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Ernüchternd ist die Ankunft in Bochum-Gerthe am Castroper Hellweg. „Leider geht hier im wahrsten Sinne des Wortes ‚kein Weg dran vorbei‘, wenn ich von Castrop-Rauxel in die Bochumer City möchte“, sagt Susanne Düwel. An der Haltestelle Gerthe-Mitte gibt es keinen Radweg. Man darf lediglich als Radfahrer den Gehweg mitbenutzen. Straßenbahnen konkurrieren auf der Straße mit dem Autoverkehr und Linienbussen.

5.

Susanne Düwel: „Diese Stelle ist für alle Verkehrsteilnehmenden völlig unübersichtlich und stark verbesserungsbedürftig.“ Wer die Stelle sicher passieren möchte, sollte sein Rad am besten ein Stück schieben, um nicht von Autos oder Bussen erfasst zu werden und die ein- und aussteigenden ÖPNV-Teilnehmenden nicht zu gefährden. Die direkt an die Straße grenzende enge Wohnbebauung macht es den Planerinnen und Planern nicht leicht. Hartmut Möller: „Hier müssen Radfahrende wahrscheinlich in Zukunft Umwege über Nebenstraßen in Kauf nehmen, um sicher ans Ziel zu kommen, der Verkehrsraum muss völlig neu aufgeteilt werden.“

Mit Pedalkraft über Stock und Stein
Schmaler Hellweg“, ein Geh- und Radweg, der durch Wiesen und Felder führt, ein.
Mit Pedalkraft über Stock und Stein

6.

Auf Bochumer Stadtgebiet biegen Susanne Düwel und Hartmut Möller an der Straße „Schmaler Hellweg“ in einen Geh- und Radweg, der durch Wiesen und Felder führt, ein.

7.

„Dieses Stück der Wegstrecke mag ich besonders“, sagt Susanne Düwel. Der Weg ist allein dem Rad- und Fußverkehr vorbehalten, die idyllische Umgebung schenkt ihr jeden Morgen einen kurzen Augenblick „Urlaubsgefühle“ auf dem Weg zur Arbeit. Trotz der dichten Besiedelung werden mehr als 37 Prozent der Fläche der Metropole Ruhr landwirtschaftlich genutzt, eine oft unterschätzte Facette des Ruhrgebiets. Das ermöglicht es, insbesondere in den Kommunengrenzen überschreitenden etwas dünner besiedelten Bereichen Landwirtschaftswege abseits von Straßen und weitgehend kreuzungsfrei für den Radverkehr freizugeben.

8.

Nach rund 45 Minuten Fahrzeit sind Susanne Düwel und Hartmut Möller am Technischen Rathaus in Bochum angekommen, mit dem Auto hätten sie wahrscheinlich lediglich fünf oder zehn Minuten eher ihr Ziel erreicht. Dank E-Bike ist Susanne Düwel frisch und entspannt, trotz sommerlicher Schwüle.

Ankunft am Technischen Rathaus in Bochum
Ankunft am Technischen Rathaus in Bochum

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Hartmut Möller hat mit seinem konventionellen Rad sportlich mitgehalten, wischt sich jedoch die eine oder andere Schweißperle von der Stirn. „Den Eselsberg in Castrop-Rauxel habe ich doch etwas unterschätzt“, sagt der Projektleiter von NRW.URBAN. Diese Steigung kurz vor der Castroper Stadtgrenze hat es in sich. Zudem hat er dort hautnah zu spüren bekommen, wie unangenehm es ist, wenn Autos Radelnde mit zu wenig Abstand überholen. „Wir sind ein Stück Straße ohne Radweg gefahren. Es ist ein unangenehmes Gefühl, wenn Autofahrende ungeduldig werden und trotz Gegenverkehr zum Überholen ansetzen“, berichtet er.

10.

Im Büro von Susanne Düwel: Die Amtsleiterin zeigt Hartmut Möller auf dem Stadtplan, welche Route sie täglich fährt. Ihr ehrgeiziges Ziel ist, den im Vergleich zu anderen Städten (noch) niedrigen Radverkehrsanteil in Bochum deutlich zu erhöhen. „Bochums Topografie mit vielen Gefällestrecken beziehungsweise Steigungen hält wahrscheinlich viele noch davon ab, das Fahrrad im Alltag einzusetzen“, sagt die Fachfrau. Mit der dynamischen Verbreitung von Pedelecs werde sich das aber in Zukunft ändern. Deshalb wollen ihr Team und sie bis 2030 noch viel bewegen: Gefahrenpotenziale durch konsequentere Trennung von Auto- und Radverkehr beseitigen, die Beschilderung verbessern und mehr sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder schaffen.

Die Amtsleiterin zeigt Hartmut Möller auf dem Stadtplan, welche Route sie täglich fährt.

Radverkehrskonzept Bochum

NRW.URBAN unterstützt die Stadt Bochum über die NRW.URBAN Kommunale Entwicklung GmbH bei vier wegweisenden Projekten der Stadtentwicklung auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. An der Oskar-Hoffmann-Straße, der Carl-Friedrich-Straße, der Wasserstraße und der Alten Wittener Straße sind unter anderem der Umbau von Verkehrsführungen, der Bau von Freianlagen und eine verbesserte Entwässerung in Hinblick auf die resiliente Stadt wichtige Themen. Nachhaltige Verkehrsmittel – so auch das Fahrrad – sollen in Hinblick auf sich ändernde Mobilitätsbedürfnisse und die allgemeine Verkehrswende stärker gefördert werden. Das Anfang 2023 veröffentlichte Bochumer Radverkehrskonzept sieht eine Steigerung des Radverkehrsanteils bis 2030 auf 15 Prozent, langfristig auf 25 Prozent vor.

„Wir planen ein ‚Radkreuz Innenstadt‘, das es ermöglicht, aus allen Himmelsrichtungen wichtige Ziele in der Innenstadt mit dem Fahrrad sicher und schnell zu erreichen“, so Susanne Düwel. Bochums Innenstadt ist von einem historisch gewachsenen Ringstraßensystem umgeben, das bisher keine Radwege ausweist. Mit einer neuen Raumaufteilung für alle Verkehrsteilnehmenden soll nun Platz für Radfahrstreifen geschaffen und somit die Innenstadt autoärmer gestaltet werden.

Zudem verfolgt die Stadt Bochum eine „Vision Zero“: Trotz steigender Zahl von Teilnehmenden am Straßenverkehr soll die Anzahl verletzter und getöteter Radfahrender weiter reduziert werden. „Bochum war jahrelang eine der verkehrssichersten Städte Deutschlands“, berichtet Susanne Düwel. Maßnahmen wie ein eindeutiges Wegweisungskonzept und organisatorische Maßnahmen wie eine konsequente Verkehrsüberwachung sowie das Ahnden von Falschparkenden könne dazu beitragen, dass diese Position weiter Bestand hat. Außerdem erarbeitet die Stadt aktuell für jeweils eine weiterführende Schule pro Bezirk Schulwegspläne, die eine verbesserte Erreichbarkeit der Schulen mit dem ÖPNV und dem Fahrrad gewährleisten und den Abschied vom Eltern-Taxi begünstigen sollen.

Zukünftig soll das Haupt- und Nebenroutennetz um Velorouten beziehungsweise den Radschnellweg ergänzt werden. Angestrebt ist eine hierarchische Struktur des Radverkehrsnetzes:

  • Radschnellwege – städteübergreifende Radverkehrsverbindungen mit überregionaler Verbindungsfunktion (in Bochum RS1)
  • Velorouten – bezirksübergreifende Radverkehrsrouten, die Stadtteilzentren verbinden
  • Hauptrouten – Radwege insbesondere an Hauptverkehrsstraßen
  • Nebenrouten – zur Anbindung von Wohngebieten und sonstigen Zielen des Radverkehrs an die Haupt- und Velorouten

Susanne Düwel erhebliches Potenzial, Schülerinnen und Schüler sowie ältere Menschen zum Umstieg aufs Fahrrad zu motivieren. Sie sollen eine Alternative zu den Hauptrouten entlang von Hauptstraßen bieten, diese jedoch nicht ersetzen. Velorouten werden möglichst abseits des Autoverkehrs geführt oder bevorrechtigen Radfahrende. Die Strecken sind beleuchtet und Bänke, Kioske und Abstellmöglichkeiten ermöglichen Fahrpausen. Sie sollen das Stadtzentrum, die Stadtteilzentren, Schulen, größere Firmen, Wohngebiete oder Hochschulen gut anbinden.

Ihre Kontaktperson

Hartmut Möller
Planung | Steuerung | Bau

Fritz-Vomfelde-Straße 10, 40547 Düsseldorf
Tel.: 0211 54238.417

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