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BeitragFotostoryInterviewJournal 1/23Konzepte | Entwicklung

Mobilitätsdrehscheibe und Tor zur Stadt – Ein Gespräch mit Stephan Boleslawsky und Henk Brockmeyer im Bahnhof Schwerte

By 17. April 2023Juni 28th, 2023Keine Kommentare
Henk Brockmeyer und Stephan Boleslawsky im Bahnhof Schwerte
Henk Brockmeyer (l.) und Stephan Boleslawsky im Dachstuhl des Schwerter Bahnhofsgebäudes: Der ursprüngliche Charakter soll wiederhergestellt werden.

Mit dem Programm „Schöner ankommen in NRW“ im Rahmen der Initiative Bau.Land.Bahn bietet das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen Kommunen ein Unterstützungsangebot, das die Sanierung von Empfangsgebäuden mit einer städtebaulichen Entwicklung im Bahnhofsumfeld verknüpft. Welche Entwicklungspotenziale bestehen auf den Bahnliegenschaften? Welche Fördermittel- Kombinationen aus den Bereichen Stadtentwicklung und Verkehr können zum Einsatz kommen? Welche Gutachten und technischen Analysen sind erforderlich, um einen Projektplan aufzustellen? Bei all diesen Fragen unterstützen BEG und NRW.URBAN die Kommunen in enger Kooperation mit der DB Station&Service AG. In Schwerte trafen sich Stephan Boleslawsky, Regionalbereichsleiter West der DB Station&Service AG, und Henk Brockmeyer, Geschäftsführer von BEG und NRW.URBAN, um sich vor Ort ein Bild vom Bahnhofsgebäude und Bahnhofsumfeld zu machen. Über eine Städtebauförderung wurde bereits der Vorplatz des Bahnhofs neu gestaltet, jetzt soll das Empfangsgebäude von 1905 herausgeputzt und für vielfältige Nutzungen hergerichtet werden. Das NRW.URBAN-Journal sprach mit Stephan Boleslawsky und Henk Brockmeyer über das kooperative Fördermodell.

Herr Boleslawsky, Sie sind als Regionalbereichsleiter West bei der DB Station&Service AG verantwortlich für über 700 Personen-Bahnhöfe und Haltepunkte in NRW, welche Kriterien muss Ihrer Ansicht nach ein moderner Bahnhof erfüllen?

Stephan Boleslawsky: Bahnhöfe vernetzen Menschen – Bahnhöfe verknüpfen ländliche Kommunen mit den Metropolen und Städte untereinander. Sie dienen aber auch als Mobilitätsdrehscheibe in der Kommune selbst. Mobilitätsangebote jenseits der Bahn müssen hier direkt andocken: Fahrradstationen, Park & Ride-Zonen, Zugänge zu Bussen und Stadtbahnen. Ein moderner Bahnhof ist in meinen Augen Sinnbild integrierter Mobilität. Hierfür brauchen Reisende verlässliche Systeme zur Reiseinformation und zur Orientierung im Bahnhof. Alle Angebote müssen möglichst barrierefrei sein. In Nordrhein-Westfalen haben wir bereits eine große Anzahl an Empfangsgebäuden saniert und modernisiert. Durch die Neugestaltung weiterer Standorte sowie der Quartiere wird gleichzeitig die Aufenthaltsqualität rund um den Bahnhof insgesamt erhöht. Kurzum: Die Bürgerinnen und Bürger und die Gäste einer Stadt oder Gemeinde sollen sich an und in ihrem Bahnhof wohlfühlen. Auch Nachhaltigkeit ist für die Bahnhöfe ein wichtiger Faktor: Es gibt viele Angebote und Produkte in unseren Bahnhöfen, die immer nachhaltiger werden. So sparen wir durch den Einsatz erneuerbarer Energien bei der Versorgung der Bahnhöfe jährlich rund 35.000 Tonnen CO2 ein. Auch das gehört zu einem modernen Bahnhof dazu. An vielen Orten, auch hier in Schwerte, wollen wir darüber hinaus das Raumpotenzial nutzen, um beispielsweise attraktiven Büroraum zu schaffen.

Begehung des Bahnhofs Schwerte
Fotos: Christian Nielinger
Henk Brockmeyer und Stephan Boleslawsky am Schwerter Bahnhof

Herr Brockmeyer, die Landesregierung Nordrhein-Westfalen und die Deutsche Bahn haben gemeinsam das Modernisierungsprogramm „Schöner ankommen in NRW“ gestaltet. Was war die Motivation?

Henk Brockmeyer: Seit Ende der 1990er Jahre wurden verschiedene Initiativen vom Land Nordrhein-Westfalen und der Deutschen Bahn angestoßen, um Bahnhöfe und Bahnhofsumfelder attraktiver zu machen. Die BahnflächenEntwicklungsgesellschaft (BEG) hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Entwicklungen von nicht mehr benötigten Bahnflächen projektiert. Über 120 zum Verkauf bestimmte Bahnhöfe haben von den in Nordrhein-Westfalen vereinbarten Empfangsgebäude-Paketen profitiert. Über diese Pakete fanden die Bahnhöfe neue Eigentümerinnen und Eigentümer – fast drei Viertel der Objekte bieten nach der Sanierung wieder fahrgastorientierten Service wie Kiosk, Bäckerei oder öffentlich zugängliche Nutzungen im gastronomischen oder kulturellen Bereich an. Das Programm „Schöner ankommen in NRW“ knüpft an diese Aktivitäten an und führt weiter zum Ziel, Bahnhöfe in Nordrhein-Westfalen zu Visitenkarten einer Stadt zu machen. Zudem stützt der integrative Ansatz, also die Verknüpfung mit der Städtebauförderung sowie mit weiteren Mobilitätsangeboten, die Leitlinien von BEG und NRW.URBAN, Städte und Kommunen nachhaltig und klimaangepasst zu entwickeln.

Ein moderner Bahnhof ist in meinen Augen Sinnbild integrierter Mobilität.

Stephan BoleslawskyRegionalbereichsleiter West, DB Station&Service AG
Vorplatz des Schwerter Bahnhofs
Der Vorplatz des Schwerter Bahnhofs wurde bereits neu gestaltet.

In einem ersten Schritt wurden 19 Kommunen mit insgesamt 20 Standorten für das Programm „Schöner ankommen in NRW“ priorisiert. Warum fiel die Wahl auf diese Standorte?

Henk Brockmeyer: Das Land Nordrhein-Westfalen und DB Station&Service AG haben zunächst die noch nicht sanierten Empfangsgebäude ausgewählt, die denkmalgeschützt oder stadtbildprägend sind. Durch Um- und Rückbauten ist an diesen Standorten manchmal kaum noch ersichtlich, welche Raumpotenziale in den Gebäuden vorhanden sind. Auch die Vorplätze warten vielerorts noch darauf, moderner gestaltet und an heutige Anforderungen und Standards angepasst zu werden, zum Beispiel in den Bereichen Energie- und Klimaeffizienz, Zukunftsmobilität oder Barrierefreiheit. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens hat dies erkannt und unterstützt Kommunen deshalb gemeinsam mit der DB Station&Service AG bei der Sanierung und städtebaulichen Attraktivierung. Das passt exakt in das Portfolio von BEG und NRW.URBAN. Wichtiges Auswahlkriterium war, dass die Bahnhöfe in einem Städtebaufördergebiet liegen.

Was sind die übergeordneten Ziele des Programms „Schöner ankommen in NRW“ aus Sicht der Deutschen Bahn?

Stephan Boleslawsky: Wir möchten den Empfangsgebäuden und Umfeldern wieder den „Glanz“ verleihen, den sie einmal hatten – als Tor zur Stadt, durch architektonische und emotionale Akzente. Bürgerinnen und Bürger sollen sich gern im und am Bahnhof aufhalten, die Mobilitätsangebote verstärkt nutzen, den Bahnhof als Repräsentanz ihrer Stadt sehen. Reisenden von auswärts – Touristen und Gästen – wollen wir ein positives Begrüßungsgefühl vermitteln. Das gelingt nur, wenn Service, Sicherheit und Aufenthaltsqualität gewährleistet und offensichtlich sind – also wenn sich im Erscheinungsbild die positiven Funktionen des Bahnhofs als Mobilitätsdrehscheibe spiegeln.

Aber es geht ja nicht darum, ein historisches Gebäude wieder in den Ursprungszustand zu versetzen?

Stephan Boleslawsky: Nein, das würde ja mit den heutigen Ansprüchen an die Funktionalität von Bahnhöfen nicht kompatibel sein. Vor 100 Jahren gab es Wartebereiche für bis zu vier Fahrgastklassen, eine Gepäckabfertigung, einen Fahrkartenschalter. Heute ist der Fahrkartenkauf weitgehend digitalisiert und auf Selbstbedienung ausgerichtet. Insgesamt haben sich die Bedürfnisse der Reisenden und Besucher verändert. Wir versuchen, mit gezielten Interventionen und strategischen Umbaumaßnahmen eine positive Atmosphäre in unseren Bahnhöfen zu schaffen und die Räume, die in den Gebäuden über die Empfangshalle hinaus existieren, sinnvoll zu beleben.

Henk Brockmeyer und Stephan Boleslawsky im Bahnhof Schwerte

Wie ergänzt das Programm „Schöner ankommen in NRW“ die Aktivitäten, was die Gestaltung des Stadtraums angeht?

Henk Brockmeyer: Ein wichtiges Anliegen des Programms ist, die Anbindung der Bahnhöfe an die Stadtteile zu verbessern, den Stadtraum „Bahnhofsquartier“ aufzuwerten – als lebendigen, urbanen Ort inmitten der Stadt. Diese Schlüsselräume bergen besonders viel Potenzial für zukünftige Entwicklungen. Werden Brachen oder untergenutzte Grundstücke beseitigt, Räume im Bahnhof oder in sanierungsbedürftigen Gebäuden im Umfeld neu genutzt oder auch unansehnliche Rückseiten verändert, können moderne Quartier entstehen, die allen Ansprüchen an Urbanität im positiven Sinne entsprechen.

Ein wichtiges Anliegen von „Schöner Ankommen in NRW" ist, den Stadtraum „Bahnhofsquartier" aufzuwerten – als lebendigen, urbanen Ort inmitten der Stadt.

Henk BrockmeyerGeschäftsführer NRW.URBAN
Bahnhof Schwerte Dachstuhl

Wie gestaltet sich der Prozess für die Kommunen weiter?

Henk Brockmeyer: Wir bieten konzeptionelle und planerische Unterstützung an. Was wir heute hier in Schwerte im Schnelldurchgang gemacht haben, das Empfangsgebäude in allen Geschossen zu besichtigen, erfolgt mit einem multidisziplinären Team aus Expertinnen und Experten der DB Station&Service AG, von NRW.URBAN sowie externen Gutachter- und Architekturbüros. Auf Basis der Analyse entwickeln wir ein Konzept für die Sanierung und Entwicklung des Empfangsgebäudes und des Umfelds. Diese Phase beinhaltet Baugutachten, Planungsleistungen und Kostenschätzungen und mündet in der Erarbeitung von Umsetzungsmodellen und Vertragsentwürfen. NRW.URBAN steht im weiteren Verfahren beratend und steuernd zur Seite. Die Steuerungs-, Beratungs- und Planungsleistungen sind für die Kommunen kostenlos.

Welche baulichen Maßnahmen können über die Förderung von „Schöner ankommen in NRW“ konkret finanziert werden?

Stephan Boleslawsky: Die investive Unterstützung umfasst die Sanierung der Fassaden und Empfangshallen der Empfangsgebäude. Wir haben großes Interesse daran, dass alle Gebäudeteile mit Leben gefüllt werden, zum Beispiel sollen Räumlichkeiten für kommunale Gemeinbedarfseinrichtungen geschaffen werden. Und natürlich werden Maßnahmen gefördert, die der Aufwertung der Bahnhofsvorplätze sowie der Anbindung der Bahnhöfe an die Stadtteile dienen. Diese investiven Maßnahmen werden über die Städtebaufördermittel finanziert. Das heißt, für die Baumaßnahmen muss die Kommune einen Mindesteigenanteil von zehn Prozent tragen. Die Deutsche Bahn beteiligt sich ebenfalls mit Eigenmitteln.

Schwerte Bahnhof Obergeschoss
Das zweite Obergeschoss des als Turm bezeichneten Gebäudeteils wurde zuletzt als Wohnung genutzt und wird nun komplett saniert.

Ist die Kombination mit weiteren Fördermitteln möglich?

Stephan Boleslawsky: Ja, das macht das Programm für die Kommunen besonders interessant. Kommunen können die Maßnahmen mit anderen Förderprogrammen für den Verkehrsausbau kombinieren und auf diese Weise viel für die Attraktivität ihrer Städte erreichen. Selbstverständlich dürfen keine Förderungen für gleiche Sachverhalte beantragt werden, aber es macht in jedem Fall Sinn, die Kombination unterschiedlicher Förderprogramme intelligent zu nutzen. Denn die DB Station&Service AG kann diese Mittel als Finanzierungsbaustein einbringen und mit den Städtebauförderungsmitteln bündeln.

Lieber Herr Boleslawsky, lieber Herr Brockmeyer, vielen Dank für das Gespräch!

Unser Auftrag

Hier ist die NRW.URBAN GmbH & Co. KG  tätig für das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen.

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