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BeitragInterviewJournal 1/24

Mutig planen – Ministerin Scharrenbach im Interview

By 24. April 2024Mai 3rd, 2024No Comments11 Minuten Lesezeit
Ministerin Ina Scharrenbach (rechts) begrüßte die Geschäftsführer von NRW.URBAN, Henk Brockmeyer (links) und Ludger Kloidt (Mitte) im Landtagsgebäude in Düsseldorf.
Ministerin Ina Scharrenbach (rechts) begrüßte die Geschäftsführer von NRW.URBAN, Henk Brockmeyer (links) und Ludger Kloidt (Mitte) im Landtagsgebäude in Düsseldorf.

Der Kohleausstieg 2030 im Rheinischen Revier ist Modell für Europa und die Welt – ein Jahrhundertprojekt. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen fördert innovative Ideen, die das Potenzial für zukunftsweisende Projekte haben, für Projekte, die zum Gelingen des Strukturwandels beitragen und neue Perspektiven für die Region schaffen. Die NRW.URBAN-Geschäftsführer Henk Brockmeyer und Ludger Kloidt tauschten sich mit Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen, im Landtag über den Projektstand und die Perspektiven fürs Revier aus.

Der Strukturwandel im Rheinischen Revier ist eine Riesenherausforderung, aber auch eine nie dagewesene Chance, die erste klimaneutrale Region in Europa zu werden. Frau Ministerin, wie und mit welchen Entwicklungszielen begleitet die Landesregierung den Prozess?

Ina Scharrenbach: Wir gehen mit dem Rheinischen Revier gemeinsam den Weg von der Braunkohle zur Boom-Region. Das Rheinische Revier ist – im Gegensatz zum Ruhrgebiet – von vielen kleinen und mittelgroßen Städten und Gemeinden geprägt. Unser Ansatz zielt darauf ab, gerade diese Kommunen niederschwellig und auf Augenhöhe beim Strukturwandel zu unterstützen. Aktuelles Beispiel: Wir haben 20 Kommunen mit 29 Projekten und ein gemeinsames Ziel: Das Rheinisches Revier fit für die Zukunft! Das schafft nachhaltige Arbeitsplätze, zusätzlichen Wohlstand und eine lebendige Heimat.

Die unterstützten Projektideen sollen neue Energie für das Rheinische Revier freisetzen. Dafür hat mein Ministerium verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen: Wir haben zwei Gesellschaften gegründet, die ‚Starke Projekte GmbH‘ und die ‚Perspektive.Struktur.Wandel GmbH‘, die Städte und Gemeinden aus dem Rheinischen Revier darin unterstützen, den Strukturwandelprozess zu bewältigen. Die Perspektive.Struktur.Wandel wirkt maßgeblich an der Umsetzung des Kohleausstiegsgesetzes und des Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen mit. Insbesondere steht die Klärung von Entwicklungspotenzialen ausgewählter, nicht mehr für den Betrieb erforderlicher Standorte der RWE Power AG im Vordergrund. Ziel ist die Nutzbarmachung dieser Flächen für neues Arbeiten und Wohnen im Rheinischen Revier. Und das Ganze erfolgt im Wechselstrom-Prinzip – in enger Abstimmung mit den Kommunen.

Ministerin Ina Scharrenbach (Mitte) begrüßte die Geschäftsführer von NRW.URBAN, Ludger Kloidt (l.) und Henk Brockmeyer (r.), im Landtagsgebäude in Düsseldorf.
Ministerin Ina Scharrenbach (Mitte) begrüßte die Geschäftsführer von NRW.URBAN, Ludger Kloidt (l.) und Henk Brockmeyer (r.), im Landtagsgebäude in Düsseldorf.
Die Geschäftsführer von NRW.URBAN, Ludger Kloidt (l.) und Henk Brockmeyer (r.), im Landtagsgebäude in Düsseldorf.
Fotos: Franklin Berger

Herr Brockmeyer, Herr Kloidt, was kennzeichnet die Starke Projekte GmbH, was die Perspektive.Struktur.Wandel GmbH und wie ist NRW.URBAN als Landesgesellschaft in die Gesellschaften eingebunden?

Ludger Kloidt: Beide Gesellschaften bewegen Projekte, die Zukunft im Rheinischen Revier nachhaltig zu gestalten. Beide Gesellschaften beinhalten verschiedene Werkzeuge, Projekte zu identifizieren und zu realisieren, unsere Fachleute bringen Erfahrung aus dem Strukturwandel in anderen Regionen sowie aus der Revitalisierung von Brachflächen, etwa aus dem Grundstücksfonds NRW, mit. Zudem kennen sie viele Förderprogramme und Planungsbausteine, die sinnvoll verknüpft werden können.

Die Starke Projekte GmbH spielt eine Schlüsselrolle in der Unterstützung der Städte und Gemeinden im Rheinischen Revier, insbesondere durch Beratung, Qualifizierung von Projekten, Beschaffung von Studien und Gutachten sowie Fördermittelmanagement. Dieses Engagement ist Teil des umfangreichen Programms zur Stadtentwicklung der Zukunft im Rheinischen Revier (STEP RR), das vom Land Nordrhein-Westfalen initiiert wurde. Die Initiative soll einfache Verfahren
und schlanke Prozesse ermöglichen und die Kommunen befähigen, jederzeit Förderanträge für Einzelmaßnahmen zu stellen, wodurch ein flexibler Rahmen für die Stadtentwicklung geschaffen wird.

Henk Brockmeyer: Die Perspektive.Struktur.Wandel GmbH, eine gemeinsame Gesellschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und der RWE Power AG, wurde ins Leben gerufen, um ausgewählte, nicht mehr für den Betrieb benötigte Flächen der RWE im Schulterschluss aller Akteure zu entwickeln. Unser Ziel ist es, nachhaltige Standorte mit besonderen Qualitäten zu schaffen, ganz im Sinne der betroffenen Kommunen und des Gemeinwohls. In enger Zusammenarbeit
mit den jeweiligen Kommunen arbeiten wir daran, attraktive Nachnutzungsperspektiven für diese Standorte im Rheinischen Revier zu entwickeln. Die Qualifizierungsprozesse laufen sehr kooperativ und auf Augenhöhe. Ganz konkret diskutieren wir Nutzungen, bewerten Chancen, überwinden Herausforderungen und entwickeln gemeinsame Zukunftsvisionen. So werden Schritt für Schritt die Visionen Wirklichkeit. Auf den Flächen entstehen Ersatzarbeitsplätze noch bevor die Arbeitsplätze im Braunkohletagebau wegfallen. Somit stellen wir sicher, dass die zukünftige Nutzung dieser Flächen einen nachhaltigen Wert für die Gemeinschaft und die Umwelt darstellt.

20 Kommunen, 29 Projekte, ein gemeinsames Ziel: Rheinisches Revier fit für die Zukunft!

Ina ScharrenbachMinisterin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen

Erste Projekte sind inzwischen qualifiziert. Lassen Sie uns einen Blick auf die Übersichtskarte werfen, Frau Ministerin! Hier in Merzenich liegt zum Beispiel das Zukunftsdorf Bürgewald …

Ina Scharrenbach: Mit viel positiver Energie wird aus dem Braunkohle-Dorf Morschenich-Alt das erste Zukunftsdorf im Strukturwandel Rheinisches Revier. Auf Basis des Investitionsgesetzes Kohleregionen wurden für den Grunderwerb durch die Gemeinde Merzenich und die umfassende Sanierung und Entwicklung des Ortes rund 90 Millionen Euro bereitgestellt. Im Zukunftsdorf soll nicht nur das frühere Ortsbild mit historisch wertvollen Gebäuden und Strukturen erhalten, sondern mit innovativen Gebäuden und Baufeldern nachhaltig ergänzt werden. Die Entwicklung des Ortes zum späteren See, seine Einbindung in die Landschaft sowie auch das Ermöglichen von Maßnahmen zur innovativen Energieversorgung werden eine besondere Rolle spielen

Herr Brockmeyer, wie unterstützt NRW.URBAN mit den Instrumenten des Landes dieses Projekt?

Henk Brockmeyer: Im Mittelpunkt der Maßnahmen steht der Erhalt des historischen Dorfbildes bei gleichzeitiger Integration moderner, nachhaltiger Gebäude und Infrastrukturen. Alle Maßnahmen berühren die Handlungsfelder Energie – also Wärme und Strom, Mobilität und Verkehr, die Wasserwirtschaft oder auch die grüne und blaue Infrastruktur sowie die Freiraumplanung. Mit einem Masterplanprozess wollen wir gemeinsam mit der Gemeinde Merzenich und den Bürgerinnen und Bürgern alle Aspekte in die Dorfentwicklung integrieren und innovative Lösungen für eine nachhaltige Zukunft entwickeln. Der erste Schritt ist jetzt getan: Ausgewählte Expertinnen und Experten, sogenannte Themenpaten, entwickeln ein fachplanerisches Zukunftsbild. Dabei haben sie freie Hand, ambitioniert und kreativ zu arbeiten.

Die Frage, was mit dem rund 130 Hektar großen RWE-Standort der Tagesanlagen Hambach geschehen soll, beschäftigt das Team der Perspektive.Struktur.Wandel GmbH ebenfalls. Was sind für diese Fläche die Ziele?

Henk Brockmeyer: Die Tagesanlagen Hambach mit dem benachbarten Kohlebunker sind hervorragend an die Infrastruktur angebunden und sehr geeignet für gewerbliche und industrielle Nachnutzungen oder gemischt genutzte Gebiete. Als Konversionsstandort helfen sie, weitere großflächige Flächenversiegelungen in der Region zu vermeiden. Hier soll der Strukturwandel insbesondere mit der Ansiedlung neuer Arbeitsplätze Fahrt aufnehmen.

Ministerin Ina Scharrenbach (Mitte) begrüßte die Geschäftsführer von NRW.URBAN, Ludger Kloidt (r.) und Henk Brockmeyer (l.), im Landtagsgebäude in Düsseldorf.

Der Tagebau gibt vielen Menschen Arbeit hier in der Region. Ein wichtiges Ziel des Strukturwandels ist es, Beschäftigungsperspektiven für die Zukunft zu eröffnen. Welches Projekt ist da noch besonders hervorzuheben, Frau Ministerin?

Ina Scharrenbach: Das Kraftwerk Frimmersdorf, das ist wirklich ein Rohdiamant mit Strahlkraft für die gesamte Region. Gemeinsam mit der Stadt Grevenbroich, dem Rhein-Kreis Neuss und RWE haben wir uns aufgemacht, diesen Rohdiamanten zu schleifen. Im zentralen Kraftwerksgebäude soll ein Rechenzentrum auf mehr als 20.000 Quadratmetern für den Landesbetrieb IT.NRW errichtet werden. Darüber hinaus soll auf dem Gelände ein Innovations- und
Bildungscampus für IT-Sicherheit der öffentlichen Verwaltung entstehen. Das Kraftwerk Frimmersdorf besitzt wie kein anderes Bauwerk im Rheinischen Revier
das Alleinstellungsmerkmal, die Geschichte der Verstromung der Braunkohle in beeindruckender Architektur zu repräsentieren. Wir schlagen mit diesem zukunftsweisenden Projekt die Brücke von der Vergangenheit in die Zukunft.

In enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Kommunen arbeiten wir daran, attraktive Nachnutzungsperspektiven für diese Standorte im Rheinischen Revier zu entwickeln.

Henk BrockmeyerGeschäftsführer NRW.URBAN
Städtebauliche Leuchtturmprojekte im Rheinischen Revier

Herr Kloidt, mit welcher Gesellschaft ist das Land hier mit an Bord und was konnten Sie bisher erreichen?

Ludger Kloidt: Die Stadt Grevenbroich, der Rhein-Kreis Neuss, die RWE Power AG und die Landesregierung Nordrhein-Westfalen gehen dieses Vorhaben gemeinsam an: Bis Ende 2023 wurden Untersuchungen und Planungen zu Nutzungsperspektiven, Kosten und möglichen Trägermodellen für einen Umbau und Betrieb in den denkmalwerten Gebäuden angestellt. Hier konnten wir viel Expertise einbringen, denn zahlreiche Strukturwandelprojekte, aber auch die großen
Konversionsprojekte in Nordrhein-Westfalen wiesen ähnliche Herausforderungen auf. Das Ministerium für Heimat, Digitales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützt das Vorhaben mit der Landesgesellschaft Starke Projekte GmbH, die die Gutachten und Planungsleistungen beschafft sowie den Prozess koordiniert und organisiert.

Henk Brockmeyer: Die Landesgesellschaft NRW.URBAN bringt in die Prozesse wertvolle Erfahrungen ein, Erfahrungen über Gelungenes, aber auch Verbesserungswürdiges aus dem Strukturwandel im Ruhrgebiet, Erfahrungen aus erfolgreichen Flächenentwicklungen über die zahlreichen Bau.Land.Partner-Projekte und über die Konversion ehemaliger Militärstandorte in Nordrhein-Westfalen, Erfahrungen über große Flächenentwicklungen in Bahnhofsumfeldern mit
einem öffentlichen Partner, wie wir sie mit der BEG bewältigt haben. Unsere Fachleute wissen, wie wir solche Transformationsprozesse angehen müssen, um viele Partnerinnen und Partner ins Boot holen und die beste Lösung für die Menschen vor Ort erreichen zu können.

Das Rheinische Revier ist ein Synonym für Energie, einst war die Braunkohle prägend, in Zukunft soll die Region klimaneutral werden. Bei den Stadt- und Quartiersentwicklungen stehen nachhaltige Energie- und Mobilitätskonzepte im Fokus, Klimaresilienz spielt eine wichtige Rolle und damit verbunden die Freiraumgestaltung, die immer auch soziale Aspekte berührt. Herr Brockmeyer, wie viele Projekte sind inzwischen angestoßen worden? Können Sie beispielhafte Planungsvorhaben nennen?

Henk Brockmeyer: Aktuell sind wir über die beiden Gesellschaften in 25 Projekte involviert, weitere Projekte sind in der Anbahnung oder in einem frühen Stadium der Qualifizierung. Wir begleiten Bestandsaufnahmen und Standortanalysen, Machbarkeitsstudien und Strukturkonzeptentwicklungen, aber auch Bürgerbeteiligungen. Mit dabei sind viele Projekte mit Pilotcharakter, mit bisher für die Region untypischen, aber auch mit im Landes- und Bundesvergleich sehr innovativen Ansätzen.

So entsteht in Heppendorf mit einem Fokus auf Energiemanagement und Digitalisierung ein städtebauliches Pilotprojekt, das mit neuen Wohn- und Arbeitsformen experimentiert. Mit dem Primus-Quartier in der Gemeinde Titz soll eine multifunktionale und qualitätsvolle neue Ortsmitte entstehen, die Wohnen, Arbeiten, Nahversorgung, Bildung sowie Freizeit und Sport miteinander verknüpft und dabei besonderen Wert auf die Einbindung der Stadtgesellschaft und Nachhaltigkeitskriterien legt.

In Jüchen ist eine völlig neue Strukturierung des Bahnhofsumfeldes geplant, die zukunftsweisend für die Nahmobilität und die Integration des Ortskerns und die Anbindung des Entwicklungsbereichs Jüchen-Süd sein wird – der Titel: Sprung zurück in die Zukunft. Mit der geplanten Umgestaltung des Bahnhofsquartiers in Langerwehe zu einem attraktiven Tourismus- und Verkehrsknotenpunkt möchte die Gemeinde ihren Bahnhof als Willkommenspunkt im Rheinischen Revier und Tor zum Indeland etablieren.

Das sind nur einige Beispiele, Frau Ministerin, was ist aus Ihrer Sicht charakterisierend für viele Projekte?

Ina Scharrenbach: Gemeinsam mit allen Beteiligten – von Kommunen über Unternehmen bis zu Bürgerinnen und Bürgern – wollen wir Orte schaffen, die Tradition und Moderne erfolgreich vereinen. Große und kleine Projekte sorgen dafür, dass der Strukturwandel im Rheinischen Revier gelingen kann. Sie reichen von der Neugestaltung des Rathausquartiers in Niederzier bis hin zu innovativen Bildungs- und Begegnungsorten am Hambach-Loop. All dies sind Bausteine, die das Rheinische Revier für die Zukunft stark und attraktiv machen können. Heimat – mit Zukunft.

Unser Auftrag

Hier ist die NRW.URBAN GmbH & Co. KG  tätig für das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen.

Ihre Kontaktperson

Aurélia Ölbey, NRW.URBAN

Aurélia Ölbey
Unternehmenskommunikation und Presse

Fritz-Vomfelde-Straße 10,
40547 Düsseldorf
Tel.: 0211 54238.218

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