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FeatureJournal 01/21Planung | Steuerung | Bau

Wettbewerbsmanagement mit NRW.URBAN

By 4. März 2021November 14th, 2021Keine Kommentare

Niederschwellig, einfach, rechtssicher

Rechtssicherheit ist das oberste Gebot. Doch immer wieder geschehen bei komplexen Ausschreibungen Fehler“, weiß Corinna Humer, Expertin für Wettbewerbsverfahren bei NRW.URBAN. Die größte Fehlerquelle liege im dynamischen Vergaberecht, das immer wieder Novellierungen erfahre. Architekten- und Ingenieurleistungen werden in der Regel im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vergeben und unterliegen der Vergabeverordnung (VgV). Für geistig-schöpferische Leistungen steht ein Sonderweg zur Verfügung, der Planungswettbewerb gemäß Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPW). Die Auslober eines Wettbewerbs müssen sich also auf diesen Terrains bestens auskennen. Auf der anderen Seite stehen die teilnehmenden Büros nicht selten einem Wust von Formularen und Abfragen gegenüber, deren Sinnhaftigkeit sich nicht immer erschließt. Das schreckt vor allem Newcomer unter den Architekturbüros ab oder lässt sie schon im Vorfeld scheitern – obwohl es in einschlägigen Regelwerken vorgeschrieben ist, dass auch kleinere Büros oder Neustarter mit ihren frischen, unkonventionellen Ideen eine Chance erhalten sollen.

Nur eine Unterlage zur Bewerbung

Um in Wettbewerbsverfahren eine größtmögliche architektonische und qualitative Vielfalt zu erreichen, hat NRW.URBAN Methoden entwickelt, wie die Auslobung und Durchführung von Wettbewerbsverfahren für alle Seiten erfolgreich ablaufen kann. Corinna Humer: „Wir haben eine intuitiv zu verstehende Unterlage entwickelt. Niederschwellig, einfach, rechtssicher. Sie besteht aus einer Excel-Tabelle, deren Bereiche über ein Farbsystem gekennzeichnet sind. Zusätzlich werden lediglich wenige weitere Nachweise verlangt, auf Unterschriften und Stempel wird verzichtet.“

Waren es früher 30 bis 40 Büros, die sich für Wettbewerbe angemeldet haben, so bilden heute je nach Aufgabe 180 bis 200, darunter auch viele jüngere Büros, die Basis für eine gute Auswahl. Weiterer Aspekt, der für ein Wettbewerbsverfahren spricht: Es wird ein Vorplanungshonorar des jeweiligen Leistungsbildes der HOAI bezogen auf das Gesamthonorar als Wettbewerbssumme ausgeschüttet. Auf diese Weise erhalten Auftraggeber eine größtmögliche Lösungsvielfalt für ein Vorplanungshonorar, eine Vielzahl an Ideen also, die nur einmal vergütet werden muss.

Qualitativ bessere Ergebnisse in nicht-offenen Verfahren

Grundsätzlich können Auftraggeber sich für zwei Wege entscheiden: für ein offenes oder für ein nicht-offenes Wettbewerbsverfahren. In den letzten Monaten entschieden sich die Auslober, die NRW.URBAN beauftragten, vorwiegend für ein nicht-offenes Verfahren. Bei diesen Verfahren darf der Auslober ein Viertel bis ein Drittel der Wettbewerbsteilnehmer setzen. Er kann dann zum Beispiel fünf Architekturbüros direkt auffordern, am Wettbewerb teilzunehmen, von denen er überzeugt ist, dass sie der ausgeschriebenen Aufgabe gewachsen sind. Diese werden zu Beginn des Verfahrens bekannt gemacht. Alle Bewerber können also in der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU lesen, mit wem sie konkurrieren und das Niveau der Ausschreibung einschätzen. Unter den eingehenden Bewerbungen werden nach einer formalen Prüfung weniger grundsätzlicher Kriterien die weiteren Teilnehmenden ausgelost. Im Beispielfall wären es zehn weitere Büros, die zur Entwurfsabgabe aufgefordert würden. Sie erhalten die komplette Leistungsanforderung, die Auslobungsunterlage. Zwei Wochen Zeit bleiben den Büros, um weitere Fragen zu klären. Wichtigster Termin zur Vorbereitung ist das Einführungskolloquium. Dort kommen die Mitglieder des Preisgerichts, die Experten von NRW.URBAN, die Vertreter der auslobenden Stelle und alle Wettbewerbsteilnehmer zusammen. Sie besichtigen gemeinsam Grundstücke und Bestandsbauten der Bauvorhaben und können nach einer ausführlichen Präsentation im Dialog mit allen Verantwortlichen offene Fragen klären. Danach beginnt für die Teilnehmer die Erarbeitungsphase.

Bis das Preisgericht tagt …

Spannend wird es dann noch einmal, wenn das Preisgericht zu den eingereichten Entwürfen tagt. Es besteht aus Fachpreisrichtern, beispielsweise Architekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplanern, die nicht ausloberabhängig sind, und Sachpreisrichtern. Dies können Personen aus der Region, die besonders gut mit den örtlichen Verhältnissen vertraut sind, Politiker, Anwohner oder Vertreter städtischer Ämter sein. Die Anzahl der Preisrichter ist ungerade, wobei stets ein Fachpreisrichter mehr als Sachpreisrichter teilnimmt. Eine Entscheidung mit qualitativer Tiefe und von großer Fachkunde ist also garantiert.

Grundschule Oxford in Münster
Architektur und Landschaftsplanung aus einer Hand

Von der Oxford-Kaserne zum Oxford- Quartier – im westfälischen Münster entsteht im Rahmen eines Konversionsverfahrens ein neuer Stadtteil. Ein Quartier, das in Zukunft auch eine Grundschule benötigt. In den nächsten acht Jahren werden hier insgesamt 1.200 Wohnungen gebaut.

Ein einstufiger, nichtoffener, interdisziplinärer Wettbewerb hat für den Bau einer Grundschule und die Gestaltung der Außenanlagen Entwurfsvorschläge geliefert. Für die Errichtung einer zweizügigen Grundschule, die Integration eines Bürgerhauses sowie zur Ertüchtigung einer Sporthalle wird ein Kostenrahmen in Höhe von 5.900.000 Euro und für die Außenanlagen in Höhe von 990.000 Euro veranschlagt.

Zentrale Frage des Ausschreibungsverfahrens: Wie kann die neue Grundschule harmonisch an ein für das Areal charakteristisches Bestandsgebäude anschließen? Das Uhrenturmgebäude der ehemaligen Kaserne, direkt am exponierten Exerzierplatz gelegen, musste von den Büros also in die Planungen einbezogen werden. Die Teilnehmerzahl wurde auf 15 Arbeitsgemeinschaften aus Architekten und Landschaftsarchitekten begrenzt, fünf Arbeitsgemeinschaften bestimmte die Ausloberin, die Stadt Münster vertreten durch das Amt für Immobilienmanagement, zehn Arbeitsgemeinschaften wurden nach vorheriger EU-Bekanntmachung ausgelost. Die Vorbereitung und Organisation des Einführungskolloquiums, die Sichtung der Wettbewerbsarbeiten und die Erstellung der umfangreichen Vorprüfberichte – all dies erfordert Expertise, aber auch Fleißarbeit. Seit September 2020 unterstützt Werkstudentin Carla Remor das Team Wettbewerbsmanagement bei NRW.URBAN. „Dieser Bereich ist ideal, um alle Facetten der Projektvorbereitung kennenzulernen, ob kreative Wettbewerbe oder komplexe Vergabeverfahren“, so die Studentin der Raumplanung.

„Der Wettbewerb zeigte deutlich, wie wichtig es oft ist, Freianlagen und Architektur aus einer Hand planen zu lassen, gerade im Hinblick auf Schulen“, sagt Corinna Humer. Der vom Preisgericht gekürte Siegerbeitrag präsentierte eine überraschende und überzeugende Lösung: multifunktional nutzbare Klassen- und Betreuungsräume, Mensa und Bürgerzentrum verteilen sich geschickt in Neubau und Bestand. Ein im Bebauungsplan an einer bestimmten Stelle vorgesehenes Tartanfeld wurde von den Freiraumplanern kurzerhand „an die Seite gelegt“ und auf diese Weise Raum für eine qualitativ hochwertige Landschaftsplanung geschaffen.

Grundschule York in Münster
Kultur und Bildung brechen mit strenger Form

Ein weiteres großes Konversionsprojekt bewältigt die Stadt Münster aktuell im Stadtteil Gremmendorf. Während hier in einer neuen modernen KiTa auf dem Gelände des York-Quartiers die Jüngsten schon toben und spielen, ist der Neubau einer vierzügigen Grundschule sowie die Errichtung einer Zweifachsporthalle noch im Planungsstatus. Entlang eines Baumhains wächst hier eine bunte Kultur- und Bildungslandschaftam Rande des ansonsten einer strengen architektonischen Formsprache folgenden Quartiers. Das ehemalige Offiziercasino wird zum Bürgerhaus, der Schulhof geht ohne Abgrenzung in einen Bürgerpark über.

„In diesem Fall machte es Sinn, zunächst Architekturbüros aufzufordern, Ideen für den Schulbau und die Sporthalle zu liefern, und erst anschließend einen Wettbewerb für Landschaftsarchitekten auszuloben, der sich dann mit dem gesamten Gebiet rund um die sozialen Einrichtungen beschäftigt“, sagt Corinna Humer. Für die Errichtung der vierzügigen Grundschule sowie der Zweifachsporthalle sind Finanzmittel von 15.800.000 Euro eingestellt.

Preisgericht tagte digital

Das Preisgericht tagte in diesem Verfahren coronabedingt digital. Ein Format, dass Zukunft hat? „Für kleinere Wettbewerbsverfahren ist das vorstellbar, komplexe Projekte online zu diskutieren, stellt das Preisgericht jedoch vor große Herausforderungen“, urteilt Christian Schmitz, Architekt vom Büro Ellertmann.Schmitz aus Münster. Das Preisgericht zur Grundschule York tagte zwölf Stunden. Christian Schmitz: „Es ist allein der kompetenten und zielführenden Moderation durch NRW.URBAN zu verdanken, dass wir dennoch zu so guten Ergebnissen gekommen sind.“ Spontaneität und Dynamik, die üblicherweise die Diskussion prägten, blieben jedoch auf der Strecke. Die Auseinandersetzung zwischen Fachleuten und Laien, das vertiefende Gespräch in Kleingruppen, der lebhafte Streit in der Sache – all dies sei im Online-Format gebremst. Dennoch: Die gute Vorbereitung der Tagung für das go-to-Meeting-Tool habe es möglich gemacht, dass Corona die Fortführung der Bauprojekte auf der York-Kaserne nicht wesentlich beeinträchtige.

Institut der Feuerwehr NRW (IdF)
Ein Masterplan für einen attraktiven Campus

Eines der komplexesten Wettbewerbsprojekte betreute NRW.URBAN 2020 in Münster für das Institut der Feuerwehr in NRW, der zentralen Ausbildungsstätte für Feuerwehrangehörige und Mitglieder von Krisenstäben. Allein das Preisgeld betrug 420.000 Euro. Das Institut der Feuerwehr ist an zwei Standorten ansässig. Zentral in Münster findet vorwiegend die theoretische Ausbildung statt. Das Stammgelände schließt an den Dortmund-Ems-Kanal an, auf dem Areal wurde über Jahre stets nach Bedarf erweitert und an Bestandsgebäude angebaut. Im benachbarten Telgte befindet sich ein weiteres Gelände, das der praktischen Ausbildung dient: Fahrzeugschulungenwerden hier beispielsweise abgehalten, Gefahrenszenarien nachgestellt und Rettungsübungen durchgeführt.

Die Aufgabenstellung für den Wettbewerb sah demnach vor, einen Masterplan zu entwickeln, der Bauabschnitte und Funktionsbereiche für beide Standorte definiert. Weitere Ziele der späteren Umsetzung sind, Oberflächen zu entsiegeln und den Fahrzeugverkehr zu minimieren. Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit ist ein wesentliches Anliegen der Landesfeuerwehr. Zudem ist gewünscht, den Schulungsstandort in Münster, repräsentativ und modern mit attraktiver Aufenthaltsqualität zu gestalten. „Das IdF NRW ist die wichtigsteAusbildungsstätte für Menschen, die Leben retten, die ins Feuer springen, die für den Katastrophenfall umfangreich qualifiziert werden – das sollte auch nach außen sichtbar sein“, sagt Corinna Humer. Die Architektin nennt die Zielvorgabe „Adresshaftigkeit des Gesamtensembles“, und zwar nicht nur zur Wolbecker Straße hin, sondern auch in Richtung Kanal. Der Weg entlang des Kanals wird schon heute als Frei- und Erholungsraum genutzt, die Aufenthaltsqualität dort soll aber noch gesteigert werden.

Da NRW.URBAN das IdF bereits bei der Bedarfsermittlung unterstützt hat, konnte das Team Wettbewerbsmanagement für die Ausschreibung des Wettbewerbsverfahren auf eine gute Basis zurückgreifen. Im Laufe des Prozesses hat sich die Beschreibung der Wettbewerbsleistung verändert. Es wurde klar, dass es weniger darauf ankommt, fertige Grundrisse für alle Gebäude zu erhalten, als einen Masterplan, der zeigt, wie Gebäude und Funktionen auf dem Gelände verteilt werden können, was im Bestand möglich ist und was rück- und neugebaut werden muss. Der Siegerbeitrag des Wettbewerbs überzeugt mit unkonventionellen Lösungen und stark an der Praxis orientierten Raumnutzungen: ein repräsentatives Gebäude zur Hauptstraße, Schulungsbereiche mit Blick aufs Wasser, Gastronomie entlang des Kanals, ein Campus, der modernen Hochschulcharakter hat, hängende Gärten und Dachterrassen – der Masterplan berücksichtigt alles, was einer fundierten Ausbildung, Freizeitaktivitäten während eines Schulungsaufenthalts sowie dem kameradschaftlichen Austausch dient.

Ihre Ansprechpartnerin

Corinna Humer
Planung | Steuerung | Bau

Revierstraße 3, 44379 Dortmund
Tel.: 0231 4341.127

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Corinna Humer, NRW.URBAN

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