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BeitragJournal 1/24Konzepte | Entwicklung

Soest entwickelt den „Neuen Soester Norden“: Kalte Nahwärme – eine Entscheidung für Gemeinschaft

By 30. April 2024Mai 6th, 2024No Comments6 Minuten Lesezeit
Die Energie für das neue Quartier stammt aus regionaler grüner Erzeugung, die Wärme kommt aus Erdkollektoren vor Ort. Damit prägt ein ganzheitlich nachhaltig angelegtes 100 Prozent klimaneutrales Konzept das Gebiet.
Die Energie für das neue Quartier stammt aus regionaler grüner Erzeugung, die Wärme kommt aus Erdkollektoren vor Ort. Damit prägt ein ganzheitlich nachhaltig angelegtes 100 Prozent klimaneutrales Konzept das Gebiet.

Im Soester Norden wächst das größte Neubaugebiet der Stadt weiter. Rund 600 Wohneinheiten in Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern sowie Geschosswohnungen auf einer Fläche von rund 35 Hektar werden dort in zwei Bauabschnitten errichtet – eine Mustersiedlung mit moderner Infrastruktur und ökologischer Wärmeversorgung. Die Stadt Soest entwickelt den „Neuen Soester Norden“ gemeinsam mit NRW.URBAN sowie der Sparkasse Hellweg-Lippe, auch bei der Vermarktung ist NRW.URBAN mit im Boot.

Rasanter Vermarktungsstart

Inzwischen ist das gesamte Gebiet erschlossen. Im 1. Bauabschnitt laufen seit Ende 2021 die Hochbauarbeiten, fast alle Grundstücke sind reserviert oder verkauft. Ein Bewerbungsverfahren für den 2. Bau- abschnitt, überwiegend für Einzelhäuser und einige Doppelhäuser, ist ebenfalls abgeschlossen. „Die meisten Interessenten haben sich bereits intensiv mit dem Konzept der Kalten Nahwärme auseinandergesetzt und stehen voll hinter dieser Form der Energieversorgung. Denn neben dem Nachhaltigkeitsgedanken gerät aktuell ja auch die Versorgungssicherheit immer mehr in den Fokus.“ Dennoch gibt es unter den Bauherren einige Kritikerinnen und Kritiker, nicht, was die CO2-freie Ausrichtung des Gebietes, sondern was den „Anschlusszwang“ an ein vorgegebenes System angeht. Das Ehepaar Gérard zum Beispiel hätte lieber eine Luftwärme-Pumpe eingebaut: „Wir haben das nur akzeptiert, weil wir unbedingt in dem Gebiet bauen wollten und in Soest Grundstücke ein rares Gut sind.“

Ehrgeizige Klimaziele

Matthias Abel, Stadtbaurat von Soest, erläutert den Projektansatz: „Wir verfolgen in Soest das ehrgeizige Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden. Dies können wir nur mit groß angelegten, gemeinschaftlichen Lösungen erreichen. Dass sich jeder, der im Soester Neuen Norden bauen möchte, an das Kalte-Nahwärme-Netz anschließen muss, ist Bedingung, quasi die Eintrittskarte für dieses innovative Gebiet.“ Viele Menschen, die sich heute für einen Hauskauf oder einen Umzug in ein neues Mietobjekt entscheiden, wünschen eine Wärmeversorgung unabhängig von Öl und Gas. Mit einer auf Geothermie basierenden Wärmeversorgung hätte die Kommune gemeinsam mit den Stadtwerken Soest demnach schon lange vor dem Ukraine-Krieg die richtige Richtung eingeschlagen.

André Dreißen, Geschäftsführer der Stadtwerke Soest, ergänzt: „In anderen Städten gibt es einen riesigen Run darauf, sich an Fern- oder Nahwärmenetze, die zentral betrieben werden, anzuschließen. Denn das hat für die Hausbesitzer viele Vorteile. Sie müssen sich nicht um die Anschaffung der Heiztechnik kümmern, es fallen nur geringe Wartungskosten an. In den vielen Einzelberatungen, die wir geführt haben, haben wir gemerkt, dass dies in Soest, wo es bisher nur sehr wenige Nah- und Fernwärmenetze gibt, noch nicht so bekannt ist. Mit der Kalten Nahwärme bieten wir im Soester Norden eine noch außergewöhnliche Konstruktion an, die nur wirtschaftlich zu betreiben ist, wenn alle Eigentümerinnen und Eigentümer an einem Strang ziehen und sich dem Netz anschließen.“

So funktioniert’s

Der neue Soester Stadtteil wird über ein Kalte-Nahwärme-Netz versorgt. Das System „Kalte Nahwärme“ funktioniert nahezu emissionsfrei. Die Technologie nutzt die Wärme von circa 10 Grad, die konstant in den oberen Erdschichten bis zu drei Metern Tiefe vorliegt. In die Grünstreifen des Areals und angrenzend zum Baugebiet werden Kollektoren eingelassen, von dort wird die Wärme in eine Energiezentrale geleitet. Über die Zentrale gelangt die Wärme parallel zu allen anderen Medien wie Abwasser, Wasser, Strom und Glasfaser in die einzelnen Häuser. Das System funktioniert ähnlich wie ein Kühlschrank. Im Winter wird das etwa 10 Grad warme Wasser aus dem Erdreich mittels Drucks erwärmt und in die Fußbodenheizungen der Häuser geleitet. Im Sommer gelangt das 10 Grad kalte Wasser direkt in die Häuser und sorgt für angenehm kühle Räume, ohne dass der Kompressor der Wärmepumpe aktiv werden muss.

Parallel zur Wärmeversorgung wurden die Leitungen zur Stromversorgung verlegt. Die Energie stammt aus regionaler grüner Erzeugung, die Wärme kommt aus Erdkollektoren vor Ort. Damit prägt ein ganzheitlich nachhaltig angelegtes 100 Prozent klimaneutrales Konzept das Gebiet. Wer sich hier ansiedelt, fällt nicht nur eine Entscheidung für die private Versorgung, sondern trägt einen gemeinschaftlichen Ansatz mit.

André Dreißen: „Die Versorgung ist sicher, wirtschaftlich und in weiterer Zukunft birgt sie auch Sparpotenziale für die Hauseigentümerinnen und -eigentümer. Der Bau des Systems und die Anfangsinvestitionen sind jedoch höher als bei konventionellen Versorgungen, die auf CO2-emittierenden Systemen basieren. Hinzu kommt, dass seit Fertigstellung des ersten Bauabschnitts alle Dienstleistungen und Bauteile enorm teuer geworden sind. Mit diesen Rahmenbedingungen müssen sich aber auch Bauherren auseinandersetzen, die sich privat eine Wärmepumpe anschaffen.“

Auf gute Nachbarschaft!

Für die im 2. Bauabschnitt geplanten Mehrgeschosswohnungen und Mietreihenhäuser – darunter öffentlich geförderter Wohnraum – wurden inzwischen erste Konzeptvergabe- und Ausschreibungsverfahren durchgeführt. Weitere werden folgen. Einige Hochbaumaßnahmen befinden sich bereits in der Realisierungsphase, mit anderen Investoren und sozialen Trägern laufen die Verhandlungen und Kaufvertragsabschlüsse. Denn Nachhaltigkeit – das war von Anfang an Leitmotiv der Entwicklung – bezieht sich im Neuen Soester Norden nicht nur auf das innovative Energieversorgungskonzept. Auch soziale Aspekte und Gestaltungsqualität spielen eine wichtige Rolle: Im Rahmen der Auswahlkriterien wurden beispielsweise Soesterinnen und Soester oder Familien mit Kindern bevorzugt. Mehrere Quartiersplätze verteilt im Gebiet sollen das lebendige Miteinander fördern, eine neue Kindertagesstätte sorgt für kurze Wege für die kleinsten Bewohnerinnen und Bewohner und eine gute Mischung aus Eigenheimen, besonderen Wohnformen und Mietwohnungen fördert eine gute Nachbarschaft.

Ihre Kontaktperson

Kirsten Liene, NRW.URBAN

Kirsten Liene
Konzepte und Entwicklung

Revierstraße 3,
44379 Dortmund
Tel.: 0231 4341.270

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