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Feature 2/2021Projektmanagement

Studierende bereichern den Planungsprozess

By 14. August 2021Dezember 8th, 2021Keine Kommentare
Ortsbegehung: Studierende der TU Dortmund beschäftigten sich intensiv mit dem zukünftigen Baugebiet in Meerbusch.

Kooperative Baulandentwicklung in Meerbusch

Eine bisher landwirtschaftlich genutzte 37 Hektar große Fläche in Meerbusch-Osterath wird Bauland – und im Prozess auch Trainingsplatz für junge Planerinnen und Planer mit frischen, ungewöhnlichen Ideen. NRW.URBAN hat gemeinsam mit der TU Dortmund ein Studierendenprojekt angestoßen, in dem Masterstudierende der Fakultät Raumplanung sich zwei Semester intensiv mit dem Baugebiet „Kalverdonk“ in Meerbusch auseinandergesetzt haben. Die plattdeutsche Gebietsbezeichnung erinnert an die ursprüngliche Nutzung: Einst weideten dort Kälber auf einem Hügel.

Theorie mit Handwerkszeug und Planungspraxis verknüpfen

Im Wintersemester 2020/2021 erarbeiteten die Studierenden alle Grundlagen, die für einen Planungsentwurf notwendig sind: Sie analysierten das gesamte Gelände, brachten sich und ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen in Fachreferaten zu Klimaschutz, Biodiversität, dezentralen Dienstleistungskonzepten oder zur Mobilität auf den neuesten Stand zukunftsweisender Planungstheorie. Auch die Verwendung nachhaltiger Materialien oder die Analyse, welche Konsequenzen Raumplanerinnen und Raumplaner aus der Pandemie ziehen müssen, wurden diskutiert.

Stadt und NRW.URBAN gaben über die Dozenten die Ziele für eine Projektentwicklung vor. Das 56.000 Einwohnende zählende Meerbusch liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zur Landeshauptstadt Düsseldorf und zur Großstadt Krefeld. Zwei Drittel des 64 Quadratkilometer großen Stadtgebiets sind grün: Wald, Wiesen oder Feldflur. Die Lebensqualität, die Meerbusch und seine Niederrheinlandschaft bieten, und eine gute Verkehrsanbindung ziehen immer mehr Menschen aus den großen Städten zum Wohnen nach Meerbusch. Die Bevölkerungszahl wächst. Gegenstand des Studierendenprojektes sollte die nachhaltige Entwicklung neuer Wohnbauflächen und die strukturelle Einbindung in den Stadtteil Osterath, die Gestaltung des Ortsrands und die Weiterentwicklung des Landschafts- und Erholungsraums sowie die allgemeine Stärkung der städtebaulichen Strukturen sein. Außerdem waren innovative Ansätze im Bereich der Erschließung und der Mobilität erwünscht. Als zentrale Leitlinie sollten die Qualitätskriterien des RegioNetzWerks dienen. Über das RegioNetzWerk sind die Großstädte Duisburg, Düsseldorf und Krefeld sowie die angrenzenden Städte Meerbusch und Ratingen sowie der Kreis Mettmann in vielfältiger Weise miteinander verbunden: Die Partner verfolgen neue Ansätze der integrierten Raumentwicklung und innovative interkommunale Planungsansätze. Die Erkenntnisse aus den Fachreferaten flossen anschließend in konzeptionelle Überlegungen ein, die präsentiert, diskutiert und gemeinsam weiterentwickelt wurden. Vier Planungsszenarien entstanden, drei arbeiteten die Studierenden bis zur Präsentationsreife aus. Die studentischen Entwürfe werden in den weiteren Entwicklungsprozess einfließen und wurden bereits in politischen Gremien vorgestellt. Sie bilden die Basis für Stakeholder-Gespräche und die Anforderungen des Planungswettbewerbs, der 2022 durchgeführt werden soll.

Die Lebensqualität der Niederrheinlandschaft und eine gute Verkehrsanbindung ziehen immer mehr Menschen aus den großen Städten zum Wohnen nach Meerbusch.

Studierende präsentieren vorm Ausschuss für Planung und Liegenschaften

„Die universitäre Lehre vermittelt Handwerkszeug und notwendiges theoretisches Wissen. Mit dem Praxisseminar wollten wir zwei weitere Aspekte stärken: den Mut zur Innovation und die Fähigkeit, Konzepte eingängig, schlüssig und klar zu vermitteln“, sagt Michael von der Mühlen. Also schaltete das Seminar Ende April 2021 vom Trainings- in den Turnier-Modus: Die Studierenden präsentierten ihre Ideen für die Baugebietsentwicklung „Kamperweg“ vor dem Ausschuss für Planung und Liegenschaften der Stadt Meerbusch. Michael von der Mühlen: „Ich war erfreut, wie positiv die Ausschussmitglieder auf diese Ideen reagierten.“ Alle Gruppen setzen auf ungewöhnliche Freiraumgestaltungen, Zonen mit unterschiedlicher Dichte sowie auf besondere Nutzungsdetails: vom Co-Working-Space über unkonventionelle KiTa-Konzepte bis zum gemeinsamen Gärtnern.

Die Stärken gewachsener Dorfstrukturen auf neue urbane Quartiere übertragen – so lautet das Credo der Studierenden.

Intensivwoche vor Ort und in Präsenz

In der Pfingstwoche 2021 konnten die Studierenden im Meerbuscher Erwin-Heerich-Haus unter besten Hygienebedingungen in Workshopatmosphäre die drei Entwürfe aus dem Wintersemester weiterentwickeln. Zu den drei Schwerpunktthemen Mobilität, grün-blaue Infrastruktur und Dichte beziehungsweise Mischung nahmen sie noch einmal Stärken und Schwächen der einzelnen Planungen in den Fokus und verfeinerten die Ansätze. Die Woche wurde von Vertretern der Stadt Meerbusch, von NRW.URBAN sowie den Lehrenden Michael von der Mühlen und Stephan Schmickler begleitet. Als Ergebnis der Gespräche und Diskussionen sind Plakate und Präsentationen zu den Schwerpunktthemen entstanden. „Diese Materialien bringen die innovativen Ansätze anschaulich auf den Punkt”, sagt NRW.URBAN-Projektleiterin Jennifer Boländer.

Aspekte, die Dörfer stark machen

Die Studierendengruppe um Alina Schminke empfiehlt den Grünring des Quartiers an den Rathauspark anzubinden. Die Neubauten passen sich im Entwurf den Höfen im Umfeld an – wie bei den Drei- und Vierseithöfen gruppieren sie sich um einen Innenhof, der später mit Spielplatz und Gemeinschaftsgärten als Kommunikationszone dienen soll. Aspekte, die Dörfer stark machen, wollen die Studierenden auch im neuen Quartier fördern. So soll der Schützenplatz als Mitte des Wohngebiets Treffpunkt und Marktplatz für alle Anwohner sein.

Master-Student Gereon Schmelter und sein Team präsentierten einen Entwurf mit dem Titel „Les K-(bahn)es – das urbane Dorf“, eine Anlehnung an die Künstlersiedlung „Les cabanes des créateurs“ auf der Île d’Oléron. Der Entwurf zitiert weitere gewachsene Dorfstrukturen: ein Rundlingsdorf wie im Wendland, Häuserreihen mit spitzwinkligen Dächern wie in Schottland. Ein großer Allmendegarten statt vieler privater kleiner Flächen charakterisiert den Entwurf.

Die Arbeitsgruppe um Lukas Michel nennt ihren Entwurf „Kampviertel Osterath“. Dem Verkehrskonzept hat die Gruppe ein besonderes Augenmerk geschenkt. Quartiersgaragen statt privater Stellplätze vor der Tür – so das Credo der jungen Planerinnen und Planer. Dies mache es auch attraktiver, von Vorneherein das Rad zu nehmen, als Kurzstrecken grundsätzlich mit dem Auto zu erledigen.

Wenn Bürgerinnen und Bürger frühzeitig Wünsche und Vorstellungen für den Stadtteil einbringen können, ist am Ende die Akzeptanz für solch gravierende Veränderungsprozesse sehr hoch.

Jennifer BoländerProjektleitung NRW.URBAN

Kommunikation und Moderation

Denn eine wichtige Aufgabe von NRW.URBAN als „Entwicklungsgesellschaft auf Zeit“ ist die Moderatorentätigkeit der Landesgesellschaft. In persönlichen Gesprächen versuchen die Expertinnen und Experten aktuell die Eigentümerinnen und Eigentümer im Plangebiet zum Verkauf der für die Baulandentwicklung benötigten Grundstücke zu überzeugen. Vorteil in diesen Prozessen ist immer wieder, dass NRW.URBAN als „interessenlose“ Dritte unvorbelastete, sachlich orientierte Gespräche führen kann. Sie informiert Eigentümerinnen und Eigentümer umfassend, erörtert gegenseitige Interessenslagen, zeigt Entwicklungsperspektiven auf. Auch die Öffentlichkeit wird früh einbezogen. In Meerbusch wurden Experten und Bürger in zwei Schritten – wegen der Pandemie online – befragt. Zunächst wurden hundert ausgewählte „Stadtteil-Experten“, etwa aus Vereinen, Initiativen und Sozialeinrichtungen, aber auch Schützen, Händler und Ärzte angesprochen, dann waren alle Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, ihre Ideen, Meinungen und Kritik zu äußern. Die Mehrheit der Befragten wünscht sich, dass das vorhandene gute dörfliche Zusammenleben erhalten bleibt. Vom neuen Quartier erhoffen sich die meisten eine Stärkung des Ortszentrums, des lokalen Handels, sowie eine Aktivierung des Branchenmixes und der gastronomischen Angebote. Bei der Anlage neuer Grünfl.chen soll dem Wunsche der Bürgerinnen und Bürger auf eine blühende und insektenfreundliche Bepflanzung sowie schattenspendende Bäume geachtet werden. Jennifer Boländer: „Wenn Bürgerinnen und Bürger frühzeitig Wünsche und Vorstellungen für den Stadtteil einbringen können, ist am Ende die Akzeptanz für solch gravierende Veränderungsprozesse sehr hoch.”

Im Workshop mit Projektleiterin Jennifer Boländer (links) wurden Ideen und erste Planungen diskutiert.

Kooperative Baulandentwicklung in Meerbusch

690 Wohneinheiten werden in den kommenden Jahren im Stadtteil Osterath neu gebaut. „Wir hatten für die Entwicklung des Baulandes und die Realisierung des Bauprojektes unser Personal in der Verwaltung deutlich aufstocken müssen. Durch die treuhänderische Zusammenarbeit mit NRW.URBAN haben wir dieses Problem nicht. Die Stadt Meerbusch kann über die Zwischenfinanzierung durch die NRW.Bank die notwendigen Grundstücke ankaufen und beh.lt den Einfluss, wie die Entwicklung vor Ort inhaltlich gestaltet wird“, sagt Michael Assenmacher, Technischer Beigeordneter der Stadt Meerbusch.

NRW.URBAN übernimmt als treuhänderische Entwicklungstr.gerin auf Zeit Ankauf, Bau, Erschließung und Vermarktung der 37 Hektar großen Fläche im Stadtteil Osterath. Die Meilensteine des Entwicklungsprozesses:

3. Juni 2020
Unterzeichnung der Zielvereinbarung für die Entwicklungsmaßnahme „Kamperweg“ durch Angelika Mielke-Westerlage, Bürgermeisterin von Meerbusch, und Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung.

bis Ende 2021
Grunderwerb der verbliebenden 70 Prozent der Fläche (30 Prozent gehören bereits der Stadt)

ab 2021
Beteiligungsprozess

2021–2022
2-phasiger Wettbewerb

ab 2022
Bauleitplanung

ab 2024
Vermarktung

circa 2031
geplantes Projektende

Ansprechpartnerin

Jennifer Boländer
Projektmanagement

Fritz-Vomfelde-Straße 10, 40547 Düsseldorf
Tel.: 0211 54238.315

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