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Journal 02/21Projektmanagement

Wenn der Wasserschneeball am Mühlenbach wächst

By 28. Juli 2021Juli 17th, 2024No Comments6 Minuten Lesezeit
Kleiner Bachlauf, im Hintergrund Hochwasserschutz
Der Mühlenbach in Bonn: Retentionsflächen schützen die Anlieger bei Starkregenereignissen.

Renaturierung eines Bachlaufs in Bonn-Beuel

Seit Jahrhunderten gestalten Menschen Bäche und Flüsse um. Mit zunehmender Industrialisierung und Siedlungsverdichtung wurden Gewässer verkürzt, begradigt und kanalisiert. Diese Eingriffe haben zum Verschwinden von Auen und ausgedehnten Feuchtgebieten entlang der Gewässerkorridore geführt. Inzwischen gewinnt die möglichst naturnahe Umgestaltung kleiner Fließgewässer extrem an Bedeutung – als Schutzmaßnahme gegen Hochwasser, zur Sicherung naturnaher Verbundkorridore und zum Erhalt der Artenvielfalt.

An der Stadtgrenze zwischen den Städten Bonn und Sankt Augustin entsteht in den Ortsteilen Vilich-Müldorf und Hangelar auf einer Fläche von rund 57 Hektar ein neues Stadtquartier. NRW.URBAN betreut als Treuhänderin und Entwicklungsträgerin die Umsetzung dieser interkommunalen städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme. „Als Ausgleichsmaßnahme für das städtebauliche Verfahren ‚Wohnpark II‘ wird aktuell ein 340 Meter langer Abschnitt eines Bachlaufs renaturiert“, erläutert NRW.URBAN-Projektleiter Guido Eßer. Bei dieser Maßnahme geht es um weitaus mehr, als um die Rückkehr zu einer idyllischen Bachlandschaft. Denn wie dramatisch die Folgen von Dauer- und Starkregen sein können, hat jüngst die Jahrhundertkatastrophe in in weiten Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gezeigt. Den Auftrag für die Landschaftsbaumaßnahme hat NRW.URBAN an das Team des Ingenieurbüros für Freiraum- und Landschaftsplanung Rietmann – Beratende Ingenieure PartGmbB vergeben.

Wasserfläche, Bach
Bach, im Hintergrund Siedlungsfläche

Vom Rinnsal zum reißenden Fluss

Die Maßnahmen zur Renaturierung im Bonner Stadtbezirk Beuel erfolgen auf einer Fläche von rund 7.400 Quadratmetern entlang des Bachlaufs zwischen der Sankt Augustiner Straße (B 56) und dem Hangelarer Weg bis zum Durchlass unter der Stadtbahnlinie 66. In den Jahren 2015 und 2016 war das Büro Rietmann bereits südlich der B 56 zwischen dem Wohn- und Gewerbegebiet Mühlenbach tätig. Ingrid Rietmann: „Im Oberlauf heißt das Gewässer noch Holtorfer Bach. Viele Wochen im Jahr ist es ein harmlos dahin plätscherndes Rinnsal. Bei Starkregenereignissen, die bedingt durch den Klimawandel immer häufiger vorkommen, springt der Bach regelrecht an und wird unberechenbar.“

Um bestehende Wohnbebauung in Ufernähe und die zukünftigen Bewohner des Wohnparks II zu schützen, müssen also Retentionsräume geschaffen werden, in denen sich das Wasser bei Bedarf ausbreiten kann. Vor dem Durchlass unter der Straßenbahntrasse und dem begleitenden Rad- und Gehweg schützen zusätzlich Spundwände die nahen Wohnhäuser. Die Gestaltung des Verlaufs, des Ufers und der Ausweichräume und Auen des Bachs soll gemäß der „Blauen Richtlinie des Landes Nordrhein-Westfalen“ möglichst naturnah geschehen. So dient der „Umbau“ des Baches nicht nur den Anwohnern, sondern auch Flora, Fauna und einem guten Klima.

Steine und Feld, im Hintergrund Häuser

Ortsnahe Ausgleichsmaßnahme

„Stadtentwicklung bedeutet für uns nicht nur, Flächen für bezahlbaren Wohnraum zu erschließen, sondern diese so nachhaltig zu planen, dass sie den Herausforderungen des Klimawandels gewachsen sind. Mit der ortsnahen Ausgleichsmaßnahme, der Renaturierung des Mühlenbachs, gelingt das in vorbildlicher Weise“, sagt Helmut Wiesner, Stadtbaurat und Dezernent für Planung, Umwelt und Verkehr der Stadt Bonn.

Im Wohnpark II sollen 420 Wohneinheiten entstehen – von zweigeschossigen Einzelhäusern über Mehrfamilienhäuser bis hin zu Hausgruppen für alternative Wohnformen wie Mehrgenerationen- und Genossenschaftswohnen, zum Kauf und auch zur Miete. „Wohnungsbau ist in Bonn zwingend notwendig. Das muss aber möglichst klimaneutral geschehen. Die Sommer werden immer heißer. Um die Lebensqualität zu erhalten, braucht es Anpassung – zum Beispiel durch Frischluftschneisen oder die Gestaltung der Auenlandschaft, wie hier in Vilich-Müldorf“, betont Lara Mohn, Bezirksbürgermeisterin in Bonn-Beuel.

Stadtentwicklung bedeutet nicht nur, Flächen für bezahlbaren Wohnraum zu erschließen, sondern diese so nachhaltig zu planen, dass sie den Herausforderungen des Klimawandels gewachsen sind.

Helmut WiesnerStadtbaurat und Dezernent für Planung, Umwelt und Verkehr der Stadt Bonn

Basaltbrocken sorgen für Diffusion

Die Renaturierungsmaßnahmen laufen aktuell auf Hochtouren. Der alte Bachlauf verlief in einem Graben, der relativ eng und dessen Sohle mit Rasengittersteinen befestigt war. „Das hatte mit Natürlichkeit nichts zu tun“, sagt Ingrid Rietmann. Zunächst entfernten die Landschaftsbauer die mit Rasengittersteinen befestigte Gewässersohle, entnahmen den rechtsseitigen Gewässerrandstreifen und bauten neue Hochwasserdämme. Sie schufen Retentionsräume, in denen sich das neue Gewässer mäandernd mit Nebenläufen und Böschungsabsätzen naturnah entwickeln soll. Die alten Bäume, die bereits entlang des ehemals linken Gewässerufers stehen – zum Beispiel Spitzahorne und Robinien – haben ausladende Wurzelräume. Zusätzlich zu den üppigen Kronen der Bäume ragen sie unter der Erde noch einmal 1,5 Meter ringsum weiter ins Gelände. Jetzt säumen dicke Basaltbrocken das ehemalige linke Gewässerufer. Sie lassen viele Luftkammern entstehen, durch die Wasser und Luft diffundieren können, um die Baumstandorte zu erhalten. Ingrid Rietmann: „Sie werden sich mit der neuen Ufergestaltung auf der Rückseite des neuen Hochwasserschutzdammes wohlfühlen.“

Auch Bäume und Pflanzen, die im Zuge der Renaturierung ab Herbst 2021 neu eingesetzt oder ausgesät werden, darunter zum Beispiel ortstypische, gebietseigene Eschen, Erlen, Eichen, Ohr-, Bruch- und Mandelweiden, Pfaffenhütchen, Wasserschneeball sowie Gras- und Kräuterbestände – sind unempfindlich gegenüber kurzen Überschwemmungen. Sie bieten Insekten- und Vogelarten Lebensraum und Nahrungsquellen und zeigen sich widerstandsfähig gegenüber Schädlingen und Krankheiten. Ufergehölze stabilisieren den Gewässerrand und dienen als natürlicher Uferschutz. Zudem beschatten sie das Gewässer und beeinflussen die Wassertemperatur und den Sauerstoffgehalt positiv. Ingrid Rietmann: „Wir hoffen, dass sich die Vögel, die bereits hier leben, vermehren, und sich zudem Bachstelzen und Reptilien ansiedeln.“ Ringelnattern und Blindschleichen lieben Feuchtgebiete. Wer diese völlig harmlosen Schlangen sichtet, kann sich sicher sein, dass er ein gesundes Biotop entdeckt hat. Um es diesen Arten zu ermöglichen, am Mühlenbach heimisch zu werden, hat Ingrid Rietmann auch schon ein Konzept zu späteren Auenpflege verfasst: „Nach dem Mähen der Böschungen soll zum Beispiel das Grasgut zu Komposthaufen aufgeschüttet werden, damit die Tiere einen warmen Ort zum Überwintern finden.

Steine und Feld, im Hintergrund Häuser

Ansprechpartner

Guido Eßer, NRW.URBAN

Guido Eßer
Projektmanagement

Fritz-Vomfelde-Straße 10,
40547 Düsseldorf
Tel.: 0211 54238.340

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