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FotostoryJournal 02/21Projektmanagement

Wie die Kreuzkröte eine neue Heimat findet

By 4. November 2021Januar 16th, 2024Keine Kommentare
Kreuzkröte im Teich, Gelände PHOENIX West in Dortmund

17 Hektar für Artenschutz auf PHOENIX West

PHOENIX West ist mit eindrucksvoller Industrie-Kulisse, Phoenixhalle und Schalthaus, Stehbierhalle und Restaurants, breiten Boulevards, ausladenden Freitreppen, großen Plätzen und plätschernden Kaskaden inzwischen eines der beliebtesten Naherholungsgebiete in der Region – und: PHOENIX West weist Richtung Emscher inklusive der anliegenden Halden Hympendahl und Schallacker insgesamt 17 Hektar Vorrangflächen für den Artenschutz in einem Landschaftsschutzgebiet aus. „Die Aufbereitung des PHOENIX West-Geländes setzte eine nahezu flächendeckende Bodensanierung voraus“, berichtet Michael Hamann. Der Biologe beriet als Mann der ersten Stunde von 2004 bis 2011 die Akteure auf dem Gelände und übernahm mit seinem Büro von 2015 bis 2020 das Biotop-Monitoring. „Die streng geschützte Kreuzkröte war von Anfang an auf dem PHOENIX-Gelände heimisch. Um den Bestand zu sichern, mussten Ersatz-Habitate geschaffen werden.“

Mit offenen Augen durch die Natur

Wer heute aufmerksam den gewundenen Weg auf die Halde Hympendahl spaziert, kann eine Menge entdecken: Über dem Teich am Viadukt der alten Schlackenbahn kreist ein Reiher, in wie zufällig dahingeworfenen Steinhaufen tummeln sich Eidechsen und Kreuzkröten, in den Wildblumenwiesen am Haldenrand summen Bienen und Hummeln, in kleinen Tümpeln schwimmen quirlige Kaulquappen. „Die offene Schotterfläche auf der Halde mit fünf Kiesmulden verschiedener Größe, in denen sich seichte Pfützen bilden, dient dem Flussregenpfeifer als Lebensraum“, erläutert Birgit Jakoby, Projektleiterin bei NRW.URBAN. Auch die große Pechlibelle oder die Blauflügelige Ödlandschrecke hat sie hier schon gesichtet.

Flussregenpfeifer haben sich auf PHOENIX angesiedelt, weil sie ursprünglich die zahlreichen Baugrundstücke für sich entdeckt hatten. Die offenen Flächen mit Schotter und Rinnen ersetzten den seltenen Vögeln das, was sie in der Natur kaum noch vorfinden: Flussauen mit Kiesbetten und Überschwemmungsbereiche. Entdeckt wurde diese neue Art auf PHOENIX West im Rahmen des Biotop-Monitorings, das seit 2005 läuft. Da Baumaßnahmen und brütende Vögel keine harmonische Allianz bilden, haben die Planerinnen und Planer von Anfang an alles dafür getan, den Tieren attraktive Alternativen zu bieten und sie von den Baugruben fernzuhalten.

Biologe und Biotopplaner Michael Hamann, Birgit Jakoby, Projektleiterin bei NRW.URBAN, und Lena Kurzbein, Landschaftsökologin im Team von NRW.URBAN, machen sich ein Bild vom aktuellen Zustand der Schotterhalde Hympendahl.

Artenschutz: keine Verhandlungssache!

Birgit Jakoby: „Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, die Projektentwicklung auch auf den Artenschutz auszurichten, das heißt zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Diese Erfahrungen geben wir an die Käufer und Bauherren auf PHOENIX West weiter. Spätestens bis Ende Februar mit dem Bau beginnen und Krötenzäune aufbauen sind die wichtigsten Tipps für den Bauablauf.“

Wenn Vögel erst einmal auf dem Baugrundstück brüten, hilft nur absperren und abwarten. So musste das Handelsunternehmen NORDWEST Handel AG beim Bau seiner neuen Zentrale die Bautätigkeit zeitweise aufgrund mehrerer brütender Flussregenpfeiferpaare unterbrechen.

„Artenschutz ist nicht verhandelbar und unterliegt keiner Abwägung“, ergänzt Michael Hamann. Sein Büro unterstützt Unternehmen, pragmatische Lösungen zu finden, um Bautätigkeit und Artenschutz unter einen Hut zu bringen. Er und sein Team arbeiten Zeit-Maßnahmen-Pläne aus, um die Arbeiten auf das Brut- und Laichverhalten von Tieren abzustimmen oder Tiere umzusiedeln.

Auch naturnah angelegte Areale müssen regelmäßig gepflegt und können nicht sich selbst überlassen werden. Das Tiefbauamt der Stadt Dortmund saniert aktuell die Regenbecken auf dem östlichen PHOENIX-West-Gelände. Die NRW.URBAN Kommunale Entwicklung GmbH unterstützt die Stadt Dortmund im Projektmanagement bei der fachlichen und organisatorischen Umsetzung dieser Maßnahme.

Sanierung von Wasserriefen

Lena Kurzbein: „Für die Oberflächenentwässerung und als potenzielle Laichgewässer wurden hier die sogenannten Wasserriefen mit einer Lehmabdichtung angelegt. Die Dichtigkeit ist aktuell nicht mehr gegeben. Wir sorgen jetzt dafür, dass sich wieder mehr Wasser im Becken aufstauen kann und es nicht zu schnell wegsickert oder austrocknet.“ Die Geografin mit Schwerpunkt Stadt- und Landschaftsökologie stärkt mit ihrem Know-how seit Frühjahr 2021 die interdisziplinären Teams von NRW.URBAN.

Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, die Projektentwicklung auch auf den Artenschutz auszurichten, das heißt zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Birgit JakobyProjektleiterin bei NRW.URBAN

Biotop-Monitoring als wichtiger Baustein der Entwicklung

Während es am Anfang der Flächensanierung darum ging, die Biotope so zu planen und anzulegen, dass vorhandene Arten ausreichend Rückzugs- und Ersatzlebensräume finden, liegt beim Biotop-Monitoring der Schwerpunkt darauf, zu kontrollieren, ob die naturnahen, künstlich geschaffenen Räume von den Tieren angenommen werden und gegebenenfalls Empfehlungen für die Anpassung und Pflege der Lebensräume zu geben. Michael Hamann: „Eigentlich bietet PHOENIX West den zu schützenden Arten gute Bedingungen. Inzwischen machen nicht die Bagger, sondern bedauerlicherweise einige Menschen den Tieren das Überleben schwer.“

Obwohl Hinweisschilder auf den Artenschutz aufmerksam machen und die Besucherinnen und Besucher auffordern auf den Wegen zu bleiben und Hunde anzuleinen, werden auch die Vorrangflächen für den Artenschutz für Freizeitaktivitäten und als Hundewiese genutzt. Die neugierigen Vierbeiner schrecken Kröten und Flussregenpfeifer auf und zerstören Brut- und Laichhabitate. PHOENIX West ist zudem beliebter Treffpunkt fürs Partyvolk. Die Säuberungstrupps, die im Auftrag der Stadt Dortmund regelmäßig Müll und Unrat sammeln, kommen nicht mehr nach. Die aktuelle Herausforderung ist, ein respektvolles Miteinander von Mensch und Natur zu finden. Denn wenn abends die Bässe wummern, verstummt das Krötenkonzert.

Ansprechpartnerin

Birgit Jakoby
Projektmanagement

Revierstraße 3, 44379 Dortmund
Tel.: 0231 4341.267

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